Gastbeitrag Südwestpresse (Neckar-Chronik): Strikter Fokus auf Wirksamkeit

Gastbeitrag Südwestpresse (Neckar-Chronik): Strikter Fokus auf Wirksamkeit

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In diesen Tagen denke ich häufig an die Opfer und Geschädigten des verheerenden Starkregens. Es zerreißt einem das Herz. Den haupt- und ehrenamtlichen Helfern und Rettern, die unter Einsatz ihres Lebens eine Arbeit verrichten, die gar nicht genug gewürdigt werden kann, gilt unser Dank. Daher zunächst meine dringende Bitte, sie dabei zu unterstützen – sei es durch Geld- und Sachspenden, zum Beispiel über die DLRG, durch Blutspenden zum Beispiel über das DRK oder indem man selbst vor Ort fährt, zum Beispiel über helfer-shuttle.de – bitte nicht ohne eine Organisation vor Ort fahren, damit die Straßen für THW und Bundeswehr frei bleiben.

Während die Gedanken kreisen, drängen sich Fragen auf: Hätte dieses Ausmaß der Katastrophe verhindert werden können, könnten über 170 Todesopfer noch leben, wenn anders damit umgegangen worden wäre? Die Warnungen, die etwa vom europäischen Hochwasserwarnsystem EFAS schon Tage vorher ausgesprochen wurden, kamen bei viel zu vielen Menschen nicht an. In Ahrweiler gab es offenbar nicht einmal eine Warnung über die Warn-Apps. Cell-Broadcast, also Warnungen über SMS, gibt es in Deutschland zu diesem Zweck bisher aus unerfindlichen Gründen nicht – die Bundesregierung hatte aktiv eine deutsche Ausnahme aus dem europaweit verpflichtenden System erwirkt.

Warnsirenen wurden vielerorts nach dem kalten Krieg abgebaut. Wie schon beim Pfingst-Unwetter 2014 gab es keine rechtzeitigen, ausreichenden Warnungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Wo genau sie versickert sind, lässt sich noch nicht allgemein sagen – auch, weil die Reaktionen der Behörden vor Ort nirgends zentral erfasst werden. Die Probleme waren spätestens seit dem Warntag 2020 bekannt; aus diesem Fiasko wurde nun eine Tragödie nationaler Tragweite. Die Bundesregierung hat aber weiterhin so gut wie nichts unternommen, um die eigenverantwortlichen Bürger einerseits und den Bevölkerungsschutz andererseits strukturell besser auf akute Krisensituationen vorzubereiten. Die mangelnden Fortschritte führten sogar dazu, dass der Warntag 2021 abgesagt wurde – er hätte erneut aufgezeigt, wie wenig wir gerüstet sind.

Zwischen Pandemien, Terrorismus, Cyberangriffen auf kritische Infrastruktur wie Strom- und Wassernetze und einem durch den Klimawandel gestiegenen Risiko von Extremwetterereignissen wie länger andauernden Hitze- und Dürreperioden sowie eben Starkregen werden die Risiken ja nicht geringer, im Gegenteil.

Um die elementare staatliche Aufgabe der Vorbereitung auf solche Krisenlagen endlich angemessen zu würdigen sollte Bundesinnenminister Seehofer die neu geschaffene Abteilung „Heimat“ auflösen und die freiwerdenden etwa 150 Stellen neben der dringend notwendigen Digitalisierung für die Stärkung des Bevölkerungsschutzes verwenden. Der Bund muss, auch als Rahmengesetzgeber, die in Krisen notwendige Koordination von Europa, Bund, Ländern und Kommunen sicherstellen.

Und die Klimapolitik muss endlich raus aus den großen Symbolen wie Kohleausstieg, Tempolimit oder Verbot des Verbrennungsmotors und rein in einen strikten Fokus auf Wirksamkeit. Ein jährlich sinkender CO2-Deckel mit einem funktionierenden Emissionszertifikathandel. Für alle Sektoren. EU-weit. Jetzt.

Der Gastbeitrag von Michael Theurer ist erschienen in der Südwestpresse/Neckar-Chronik am 12.08.2021