Gastbeitrag Südwestpresse (Neckar-Chronik): Bürger früher einbeziehen

Gastbeitrag Südwestpresse (Neckar-Chronik): Bürger früher einbeziehen

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Als ich vor knapp zwei Wochen davon erfuhr, dass die Schwarzwaldhochstraße für einen Ausbau auf knapp drei Kilometern während der Sommerferien komplett gesperrt werden sollte, schrillten bei mir die Alarmglocken. Für die Gastronomen wäre diese Vollsperrung ausgerechnet in der Hauptsaison nach zwei Coronajahren der absolute Supergau, für die ganze Region würde dadurch die Gefahr von Verwerfungen drohen, die möglicherweise nie wieder ganz heilen würden. Also habe ich als Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Digitales und Verkehr natürlich sofort in unserem Ministerium nachgehakt, was getan werden kann, um das drohende Unheil noch zu stoppen – auch wenn das Thema natürlich eigentlich bei den Behörden vor Ort liegt. Gleichzeitig machten die Gastronomen selbst, auch medial, darauf aufmerksam: gut so! Im Ergebnis konnte nach einem Gespräch mit den Anliegern der Baustart von den lokalen Behörden auf nach den Sommerferien verlegt werden.

Dieses Beispiel ist für mich symptomatisch für ein größeres Problem. Denn bei jedem Infrastrukturprojekt gibt es verschiedenste berechtigte Interessen, sei es von den Nutzern der bisherigen Infrastruktur, die keine Nutzungsunterbrechung wollen oder von Anwohnern, die beispielsweise eine schöne Landschaft erhalten oder vor Lärm geschützt werden wollen. Auch der Schutz seltener Arten oder der Umwelt gehört selbstverständlich zu diesen berechtigten Interessen. Gleichzeitig wollen viele Menschen mobil sein, wollen ein funktionierendes Strom- und Datennetz. Doch der Investitionsrückstau, den wir in der neuen Bundesregierung geerbt haben, ist enorm. Deutschland wurde über Jahre auf Verschleiß gefahren. Neubauten brauchen häufig Jahrzehnte, währenddessen gibt es in vielen Bereichen – insbesondere bei den Brücken – einen riesigen Sanierungsbedarf. Deshalb haben wir uns im Koalitionsvertrag zum Ziel gesetzt, die Dauer von Planungs- und Genehmigungsverfahren zu halbieren. Doch wie sollen all diese berechtigten Wünsche unter einen Hut bekommen werden?

Die Frage führt mich zurück zur Schwarzwaldhochstraße: Hätte man die Anrainer frühzeitig informiert, wäre schnell klar geworden, dass die Zeitplanung nicht ideal ist. Meine Vorstellung ist es, dass Bürgerinnen und Bürger früher und strukturierter in Planungen einbezogen werden, dass frühzeitig Interessen gehört und abgewogen werden – dass Entscheidungen, die dann gefallen sind, aber auch möglichst rasch endgültig werden. Das heißt etwa, dass wiederholte Auslegungs-, Einwendungs- und Erwiderungsschleifen vermieden werden können, indem bei Planänderungen nach Bürgerbeteiligung nur noch neu Betroffene beteiligt werden und Einwendungen nur noch gegen Planänderungen zulässig sind. Generell können sowohl Planungs- als auch eventuelle Gerichtsverfahren sehr viel effizienter organisiert werden, ohne dass das Schutzniveau für betroffene Bürgerinnen und Bürger sinkt. Daran lohnt es sich, zu arbeiten. Wenn der Bundesregierung das gelingt, haben wir unserem Land einen großen Dienst erwiesen. Ich bin da sehr optimistisch.

Dieser Gastbeitrag erschien in der Neckar-Chronik am 2.6.2022.