Gastbeitrag Südwestpresse (Neckar-Chronik): Alternative Modelle

Gastbeitrag Südwestpresse (Neckar-Chronik): Alternative Modelle

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Der Novemberlockdown geht in den fünften Monat. Noch immer gibt es keine flächendeckenden Schnelltests, die Impfung geht noch immer nur etwa ein Drittel so schnell voran wie in vergleichbaren Ländern, und auch das Überbrückungshilfenchaos hält an. Egal, mit wem ich derzeit digital oder in den wenigen Präsenzterminen spreche, überall das gleiche Bild: Selbständige, Künstler und Freelancer, für die kein Anspruch auf einen Unternehmerlohn analog zum Kurzarbeitergeld besteht, die stattdessen auf Hartz 4 verwiesen werden. Hilfen, die teilweise geringer sind als die Steuerberaterkosten – einerseits, weil sie recht gering ausfallen, andererseits, weil die Hilfen so bürokratisch sind, dass der Aufwand bei der Beantragung relativ hoch ist. Unternehmen, die keine Ansprüche haben, weil ihr Umsatz nur um 28 Prozent gesunken ist. Unternehmer, die nicht wissen, wie sie die aktuell aufgenommenen Schulden je zurückzahlen sollen. Daran ändern auch die gestrigen Beschlüsse der Ministerpräsidenten und der Kanzlerin nichts Wesentliches.

Man muss sich das nochmal vor Augen führen: Die Betriebsschließungen sind keine Folge unternehmerischer Risiken, sondern auf einer eher schwachen Datenbasis staatlich verfügte, enteignungsgleiche Eingriffe. Dass staatlicherseits etwas gemacht werden muss, ist klar. Doch was der Staat macht und wie er damit umgeht, ist eine politische Entscheidung. Selbstverständlich können, was die konkreten Risiken einzelner Tätigkeiten angeht, Auflagen gemacht werden – etwa Hygienekonzepte. Doch auch das stößt in den Bereichen an Grenzen, wo es ohnehin geringe Risiken gibt, etwa im Einzelhandel, in Hotels oder bei der Körperpflege. Dort sollte relativ zügig geöffnet werden, das RKI hat der Einschätzung der FDP hier nachträglich Recht gegeben. Doch überall dort, wo es darum geht, die Gesellschaft allgemein in den Lockdown zu versetzen, wo Betriebe ohne einen individuellen Anlass dicht gemacht werden, ist es einfach nicht einmal im Ansatz vertretbar, dies ohne Entschädigung zu machen.

Übrigens: Wenn ein einzelnes Unternehmen eine Seuchengefahr wäre, stünden ihm für eine Betriebsschließung Entschädigungen zu. Doch wenn ganze Branchen geschlossen werden, soll das nicht gelten und die Hilfen nach Gutdünken der Bundesregierung mal höher, mal niedriger und mal ganz ausfallen? Dafür habe ich kein Verständnis. Damit bin ich nicht allein. Beispielsweise hält der ehemalige Bundesverfassungsrichter Papier den fehlenden Rechtsanspruch aus rechtsstaatlichen Gründen für fragwürdig, weil die Unternehmen ein „Sonderopfer zum Wohle der Allgemeinheit“ erbringen.

Die alternativen Modelle liegen vor. Das Institut für Weltwirtschaft in Kiel hat das „Kieler Modell“ vorgeschlagen: Entschädigungen auf Basis des Rückgangs des Betriebsergebnisses statt wie bisher Hilfen auf Basis von Fixkosten oder Umsatzrückgängen. Das wäre fair, das hat die FDP in den Bundestag eingebracht.

Wenn die Hilfen weiter nach dem Motto „zu spät, zu langsam, zu wenig, zu bürokratisch“ laufen, drohen weite Teile des Mittelstands hinweggefegt zu werden. Selbständige, Künstler, Freelancer werden sich umorientieren. Für die deutsche Kulturlandschaft wäre das ein gravierender, vielleicht unwiederbringlicher Schaden. Bei der Landtagswahl gilt es, ein klares Zeichen gegen diese Politik zu setzen.