Gastbeitrag Focus Online: Biontech zeigt: Technologischer Fortschritt, Globalisierung und Marktwirtschaft sind nicht das Problem, sondern die Lösung.

Gastbeitrag Focus Online: Biontech zeigt: Technologischer Fortschritt, Globalisierung und Marktwirtschaft sind nicht das Problem, sondern die Lösung.

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Zu Beginn der Corona-Krise wurde die Pandemie von vielen Kommentatoren als der Vorbote einer Zeitenwende interpretiert. Kaum eine Zeitung, die nicht vom „Ende der Globalisierung“ schwadronierte oder ohne einen Abgesang auf die Markwirtschaft auskam – gerade so, als ob die Pandemie und der Lockdown in einem abgeschotteten sozialistischen System weniger Probleme bei der Versorgung der Menschen mit Waren und Dienstleistungen gemacht hätten. Diese Meinungsäußerungen entstanden nicht aus einem Vakuum, sondern aus einem Zeitgeist, der technologischen Fortschritt als Bedrohung, ungleichmäßig aber für alle steigenden Wohlstand pauschal als ungerecht und die Realität einer globalisierten Welt als rückgängig zu machende Fehlentwicklung empfindet.

Die Ablehnung von Marktwirtschaft, Globalisierung, technologischem Fortschritt und Migration ist in unterschiedlichen Milieus unterschiedlich stark ausgeprägt, doch sie sind weit verbreitet. „Pharmakonzern“ ist bei grünen Esoterikern gleichermaßen ein Schimpfwort wie bei neurechten Coronaleugnern. Die Ablehnung von Freihandelsabkommen vereinigt Teile der SPD mit Linkspartei, AfD und Grünen. Die Vorstellungen letzterer zur Energiewende zielten lange auf eine möglichst große nationale Energieautarkie, die Ablehnung eines solchen Klimanationalismus bezeichnete Jürgen Trittin noch 2019 im Bundestag als „vaterlandslos“.

Und dann kommt BioNtech, das für alles steht was die politischen Ränder ablehnen, und bietet eine Lösung für die größte Krise seit dem zweiten Weltkrieg. Für die einen sind sie eine Provokation, weil die Unternehmensgründer Uğur Şahin (heute Vorstandsvorsitzender) und Özlem Türeci (heute Medizinvorstand) ein Beispiel für die Chancen von Einwanderung und Aufstiegswillen darstellen. Für die anderen wiederum sind sie eine Provokation, weil sie mit einem Unternehmen der „Big Pharma“ kooperieren – und beide darauf hoffen, einen Impfstoff weltweit zu verkaufen, was ja auch für die Investoren den Einsatz großer Mengen privaten Kapitals legitimiert. Und weil sie in Bereichen geforscht haben, für die viele Menschen kein Verständnis haben.

Gerade die letzten beiden Punkte zeigen auch schon, wo das eigentliche Problem liegt. Dass in Deutschland noch an medizinischer Gentechnik geforscht werden kann, ist keine Selbstverständlichkeit, wird doch „gentechnikfrei“ hierzulande geradezu als Qualitätssigel angesehen. Die Mediziner Şahin und Türeci gründeten 2001 ihr erstes Unternehmen zur Herstellung von Antikörpern gegen Krebs. Hätten Sie auf die damals im Bund regierenden Grünen gehört – die im Wahlprogramm von 1998 vom „Sackgassenweg der High-Tech-Medizin“ schrieben, der „sich durch den Einsatz der Gentechnik“ verstärke – es hätte BioNtech nie gegeben. Gleiches gilt für das im Jahr 2000 gegründete CureVac, ein weiteres deutsches Unternehmen, das ebenfalls mit mRNA, also auf Basis der Ergebnisse von Gentechnikforschung, an einem vielversprechenden Corona-Impfstoff arbeitet.

Natürlich ist der Bereich der Gentechnik sehr vielfältig, natürlich können gentechnische Verfahren auch Risiken haben und natürlich brauchen wir auch eine Diskussion über die bei manchen Verfahren aufgeworfenen ethischen Fragen. Die grundsätzliche Fortschritts- und Wissenschaftsfeindlichkeit, die jedoch bei diesen Diskussionen oft mitschwingt, ist grundfalsch.

Ein weiterer Fehler sind die unzureichenden Rahmenbedingungen. Denn die jungen Unternehmen in Deutschland stehen alle vor derselben Herausforderung: Spätestens nach dem Markteintritt fehlt es an Kapital. Wachsen, Nachfolgeprodukte entwickeln und sich internationalisieren können die Unternehmen nur mit entsprechender Finanzspritze. BioNtech hatte hier das Glück, dass einzelne Privatinvestoren wie z.B. die Strüngmann-Brüder mit Geldern im dreistelligen Millionenbereich einstiegen, bei CureVac war es gar ein einzelner Investor – SAP-Gründer Dietmar Hopp. Doch allzu häufig scheitern deutsche Start-Ups in genau dieser Phase. Erhebungen zeigen regelmäßig, dass die Finanzierungsbedingungen in anderen Ländern weitaus besser sind. Dringend nötig wäre ein Venture-Capital-Gesetz, das umfassend und ganzheitlich beste Bedingungen für Wagniskapital in Deutschland schafft und zwar auch und gerade im Steuerrecht. Dabei geht es beispielsweise um die Frage, ob und in welchem Umfang die Verluste aus der Wachstumsphase auf die später anfallenden Gewinne steuerlich verrechnet werden können.

Allen Unkenrufen zum Trotz bewährt sich die Soziale Markwirtschaft, bewähren sich Wissenschaftsfreiheit und Technologieoffenheit. BioNtech und CureVac mit ihrer Forschung sind nur der Anfang, abseits der großen Pressemeldungen werden innovative Herstellungs- und Logistikverfahren folgen. Kritiker mögen nun einwenden, dass es auch in autoritären Systemen wie Russland und China bereits Impfstoffkandidaten gibt. Doch für die vermeintliche Langsamkeit gibt es außerordentlich gute Gründe: Standards für klinische Studien und Qualitätssicherung. Hierzulande hätte niemand dafür Verständnis, wenn ein möglicherweise unsicherer Impfstoffkandidat auf die Bevölkerung losgelassen wird.

In Biotechnologie und Pharmazie liegen unglaubliche Chancen und Deutschland hat hier einiges anzubieten. Wenn es uns gelingt, mehr innovativen Start-Ups durch mehr Wissenschaftsfreiheit, mehr Technologieoffenheit und bessere ökonomische Rahmenbedingungen zum Durchbruch zu verhelfen, profitieren wir alle davon.