Gastbeitrag Südwestpresse (Neckar-Chronik): Loblied auf den Wasserstoff

Gastbeitrag Südwestpresse (Neckar-Chronik): Loblied auf den Wasserstoff

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Als die FDP im letzten Frühjahr forderte, dem Thema Wasserstoff eine stärkere Priorität einzuräumen, wurde das von manchen noch belächelt. Dennoch kündigte kurze Zeit später die Bundesregierung an, dass sie an einer nationalen Wasserstoffstrategie arbeite. Diese verschob sich jedoch immer wieder – statt wie ursprünglich geplant im Herbst 2019 erschien sie erst vor etwa drei Wochen und enthält leider auch jede Menge Konjunktive und Prüfaufträge. Doch mit dem Konjunkturpaket wurde sie immerhin mit substantiellen Geldmitteln unterlegt, insgesamt neun Milliarden Euro stehen zur Verfügung.

Das ist auch gut so: Wasserstoff in großen Mengen und zu wirtschaftlichen Preisen ist voraussichtlich der einzige Weg, um Klimaschutz und die Sicherung des Industriestandorts zu verbinden. Wasserstoff kann als chemischer Energiespeicher fungieren. Das bisherige Problem der Energiewende, dass erneuerbarer Strom nicht an dem Ort und zu der Zeit entsteht, wo er gebraucht wird, lässt sich so lösen. Regenerativ hergestellter Wasserstoff ist außerdem die Grundlage für synthetische Kraftstoffe, sogenannte E-Fuels – also klimaneutralen Diesel, klimaneutrales Benzin, klimaneutrales Kerosin –, mit denen wir die ausgereifte Verbrennungstechnologie auch in Zukunft klimaneutral nutzen könnten. Das würde Millionen von Arbeitsplätzen in der Luftfahrt, in der Automobil- und in der Zuliefererindustrie sichern. Doch noch immer gibt es große regulatorische Hürden. Gasnetzbetreiber beschweren sich, dass schon allein der Aufbau eines funktionierenden Wasserstoffnetzes derzeit rechtlich nicht möglich ist. Die EU-Flottengrenzwerte für Autos können derzeit die CO2-neutralen Kraftstoffe in keiner Weise reflektieren, ebenso wenig wie Kfz-Steuer oder die Energiesteuer. Doch gerade der Massenmarkt für Kraftstoffe wäre eine wichtige Voraussetzung, um den Einstieg in die Nutzung des Wasserstoffs in industriellem Maßstab zu schaffen. Eine starre, unflexible Gesetzgebung verhindert Innovation – natürlich auch deshalb, weil es eine ideologisch begründete Fixierung auf batteriegetriebene Elektromobilität gibt und die Verbrenner verteufelt werden. Vor dem Hintergrund, dass laut dem Forschungsinstitut der Bundesagentur für Arbeit die Batterieautos in Deutschland selbst dann über Hunderttausend gutbezahlte Arbeitsplätze kosten, wenn wir unsere Weltmarktanteile mit einer Technologie halten können, bei der wir derzeit nicht führend sind, ist das eine geradezu absurde Vorstellung.

Die Wasserstofftechnologie bietet nicht nur wirtschaftspolitische Perspektiven, sondern auch europapolitische: So wie wir die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl nach dem Zweiten Weltkrieg als Nukleus für die europäische Integration genutzt haben, sollten wir jetzt eine Europäische Wasserstoffunion gründen. Damit würden wir ideale Standorte für die Sonnen- und Windenergie, etwa in Südeuropa, nutzen, um Wasserstoff klimaneutral herzustellen. Den Wasserstoff können wir zur Dekarbonisierung der Stahlindustrie, zur Dekarbonisierung unserer Industrieprozesse, vor allen Dingen aber auch für Mobilitätsanwendungen nutzen. Wenn bei einer Ausschreibung etwa in Portugal für 1,4 Eurocent pro Kilowattstunde Fotovoltaikstrom entsteht, dann kann das schon heute wirtschaftlich sein.