Gastbeitrag Südwestpresse (Neckar-Chronik): Wie viel Staat darf es sein?

Gastbeitrag Südwestpresse (Neckar-Chronik): Wie viel Staat darf es sein?

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Der Fall Lufthansa zeigt exemplarisch, wo die Konfliktlinien in der Bundesregierung verlaufen, wer das Sagen hat und wo die Reise hingehen könnte. Obwohl die Rettung der Lufthansa an sich richtig ist, könnten die Konsequenzen für ganz Deutschland und insbesondere für den Mittelstand zum Problem werden.

Rückblick: Die Verhandlungen über eine Rettung der bisher unternehmerisch gesunden, aber durch Corona schwer gebeutelten Fluglinie mit dem Kranich ziehen sich über Wochen hin, obwohl praktisch alle Parteien im Bundestag sie aufgrund der strategischen und wirtschaftspolitischen Relevanz grundsätzlich begrüßen. Zentral ist die Frage, wie viel Einfluss auf die Unternehmenspolitik der Staat mit seiner Rettung erkaufen sollte. Bei der Lufthansa erinnert man sich noch gut an die Zeit, als der Staat Anteilseigner war, auch manch ein Kunde dürfte das noch als Schreckgespenst im Hinterkopf haben. Der Dreiklang des Missmanagements lautete „teuer“, „unprofitabel“ und „schlechter Service“. Union und FDP warnten aus ordnungspolitischen Gründen ebenso vor zu viel Staatseinfluss, während Grüne, Linke und SPD den Eindruck machten, als wollten sie am liebsten selbst das Management übernehmen. Olaf Scholz forderte zumindest eine Sperrminorität von 25 Prozent plus einer Stimme, um so unliebsame Entscheidungen verhindern zu können, und zwei Sitze im Aufsichtsrat. Die SPD hat sich damit fast vollständig durchgesetzt: Es sollen 20 Prozent werden, die restlichen 5 Prozent soll der Bund jedoch über eine sogenannte Wandelanleihe jederzeit einlösen können, damit bleibt die Drohung mit der Sperrminorität auf der Tagesordnung. Auch die Sitze im Aufsichtsrat soll es geben, allerdings durch unabhängige Experten besetzt statt als SPD-Versorgungsposten. Insgesamt hat jedoch der Schwanz ganz ordentlich mit dem Hund gewedelt, der kleinere Koalitionspartner hat sich mal wieder durchgesetzt.

Ob so noch unternehmerischer Erfolg möglich ist, darf bezweifelt werden – und damit auch, ob die Hauptversammlung der Lufthansa deren Rettung wirklich zustimmt, oder doch lieber ein normales Insolvenzverfahren durchläuft. Auf der anderen Seite könnte der Deal jedoch auch noch an den Wettbewerbshütern der EU-Kommission scheitern. Diese hatte für die Konkurrenz lediglich staatliche Kredite genehmigt und befürchtet eine politische Bevorzugung der Lufthansa, wenn der Staat Anteilseigner ist – auch, weil der Mittelstand ebenso lediglich Kredite erhält.

Was bleibt, ist ein schaler Beigeschmack: Die politische Linke will die Corona-Krise missbrauchen, um Unternehmen mit Steuerzahlergeld ideologische Forderungen aufzudrücken, für die es als allgemeine Regeln keine politische Mehrheit gibt. Wirtschaftsminister Peter Altmaier von der Union forderte hingegen schon vor der Krise in seiner „Industriestrategie 2030“ staatlich geförderte nationale Champions, für die das Wettbewerbsrecht ausgehebelt werden soll.

Auf uns kommen stürmische Zeiten zu. 100 Milliarden Euro im Wirtschaftsstabilisierungsfonds bieten jede Menge Unfugspotential, um wahlweise Konzernen Artenschutz zu gewähren und so Mittelständler auszubooten oder eine Verstaatlichungsorgie zu starten und die Konzerne damit zugrunde zu wirtschaften. Beides könnte den Wirtschaftsstandort ruinieren.