Gastbeitrag Cicero Online: Ist der Staat der bessere Unternehmer?

Gastbeitrag Cicero Online: Ist der Staat der bessere Unternehmer?

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Der spätere Professor an der Universität Freiburg und Wirtschaftsnobelpreisträger Friedrich August von Hayek verfasste während des Zweiten Weltkriegs in Großbritannien sein bahnbrechendes Werk „Der Weg zur Knechtschaft“. Darin legt er dar, wie staatliche Eingriffe in die Wirtschaft zu immer neuen staatlichen Eingriffen führen.

Er hätte es sich wohl nicht träumen lassen, dass in Friedenszeiten eine derart große Reihe an staatlichen Interventionen in die deutsche Wirtschaft quasi auf einen Schlag gestartet werden könnte, wie es derzeit der Fall ist. Zum einen die staatlichen Garantien, Kredite, Direktzahlungen und Unternehmensbeteiligungen im Umfang von bis zu 1,3 Billionen Euro – das sind 40 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung.

Hinzu kommen noch die zusätzlichen Investitionen, Kredite und Bürgschaften über den Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM, den Internationalen Währungsfonds IWF und die Europäische Investitionsbank EIB, absehbar auch über den EU-Haushalt. Geplant ist zusätzlich ein Schutzschirm für Lieferketten im Umfang von 30 Milliarden Euro.

Angesichts dieser Schuldenberge kann einem leicht schwindelig werden. Der Reflex, hier durch Rettungsschirme, Kredite und ähnliches die Situation einfrieren zu wollen ist verständlich – und riskant. Linke und rechte Kollektivisten sehen ihre große Chance gekommen: Man solle die aktuell große Abhängigkeit der Wirtschaft vom Staat nutzen, um den Einfluss des Staates auf die Wirtschaft immer weiter auszubauen, etwa durch flächendeckende und auf Dauer angelegte Staatsbeteiligungen an den Unternehmen oder das Knüpfen von Investitionen an Bedingungen, etwa hinsichtlich der ökologischen oder sozialen Ausrichtung.

Und angesichts massiver Einkommenseinbußen – sei es durch Kurzarbeit der abhängig Beschäftigten oder schlicht durch fehlende Einnahmen bei Selbständigen, Freiberuflern und Dienstleistern – finden Petitionen für ein bedingungsloses Grundeinkommen aktuell hunderttausende Unterstützer. Hinzu kommen die Eingriffe ins Privatrecht und in laufende Verträge. Mieter und Verbraucher sollen geschützt werden, aber die meisten Vermieter sind auf regelmäßige Mietzahlungen angewiesen, um Kredite zu bedienen.

Der staatliche Eingriff in Dauerschuldverhältnisse wie den Internetanschluss, das Zeitungs-Abo oder die Stromlieferung führt zu weiteren Verwerfungen. Am deutlichsten wird dies bei den Stromanbietern, denn diese müssen auch dann mengenbezogene Steuern und Abgaben entrichten, wenn sie damit aktuell gar keinen Umsatz machen. Es ist nicht auszuschließen, dass diese Anbieter in der Folge selbst schnell in finanzielle Nöte kommen.

Was dann? Kommt dann noch der Rettungsschirm für Stromversorger? Oder werden dann auch noch die Steuern und Abgaben ausgesetzt? Am Anfang dieser staatlichen Interventionskette standen ausnahmsweise keine verteilungspolitischen Motive, sondern die schlichte Erkenntnis, dass im Kampf gegen das neuartige Coronavirus – auch in einem Hochtechnologieland wie Deutschland – nur die Instrumente des 19. Jahrhunderts zur Verfügung stehen: Quarantäne, Kontaktbeschränkungen und am Ende das Herunterfahren weiter Teile des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens.

Der Shutdown dient dazu, die Infektionsketten zu durchbrechen. Doch gleichermaßen müssen wir die staatlichen Interventionsketten durchbrechen – denn dieser Weg führt langfristig gesellschaftlich in die Unfreiheit und ökonomisch in den Abgrund. Jetzt ist es Zeit, eine deutliche Mahnung auszusprechen, damit die Grundprinzipien der Sozialen Marktwirtschaft wieder intakt gesetzt werden: Der Markt hat eine Form der Gerechtigkeit, denn die Akteure werden für genau jenes Verhalten belohnt, welches anderen Menschen so sehr nutzt, dass sie bereit sind, dafür etwas zu bezahlen – freiwillig.

Der Staat ist nicht der bessere Unternehmer, denn Politiker wissen es nicht besser als die Menschen selbst, was ihnen wichtig ist. Ein gescheitertes sozialistisches Experiment nach dem anderen gibt beredt Zeugnis davon ab, dass Armut und Not erfolgreicher bekämpft und die Bedürfnisse der Menschen besser befriedigt werden, wenn alle möglichst eigenverantwortlich handeln dürfen.

Und: Leistung muss sich lohnen. Die staatliche Interventionskette weist jedoch in die andere Richtung. Für ein bedingungsloses Grundeinkommen gibt es beispielsweise nur zwei Varianten: Entweder es ersetzt alle anderen Sozialleistungen einschließlich Rente, Krankenversicherung und Arbeitslosenversicherung – das würde dazu führen, dass die Schwächsten der Gesellschaft deutlich schlechter gestellt würden und die Lebensleistung von Millionen Rentnern nicht mehr gewürdigt wird.

Oder es wird so teuer, dass konfiskatorisch hohe Steuern jeden Anreiz zur Schaffung von Wohlstand im Keim ersticken würden. In beiden Fällen ist es leistungsfeindlich. Die Leistungsbereitschaft ist jedoch der Grundpfeiler, an dem das soziale Sicherungsnetz hängt. Wenn Grundpfeiler wanken, wankt das ganze Netz.

Um einen Dominoeffekt zu verhindern, sollte man ganz am Anfang der Dominoreihe anfangen, die Interventionskette muss an ihrem Ursprung durchbrochen werden. Warum ist die Wirtschaft denn aktuell hilfsbedürftig? Weil der Staat aus Gründen des absolut notwendigen Gesundheitsschutzes der Menschen tief in Grund- und Eigentumsrechte, die unternehmerische Freiheit und die Berufsfreiheit eingreift.

Im Infektionsschutzgesetz ist für individuell verhängte Tätigkeitsverbote ein Anspruch auf Entschädigung vorgesehen. Es stellt sich die berechtigte Frage, ob nicht auch allgemein verfügte Beschränkungen, die hinsichtlich der wirtschaftlichen Konsequenzen durchaus den Charakter von Enteignungen annehmen können, ebenfalls entschädigt oder zumindest teilweise ausgeglichen werden müssen – Entschädigung statt staatlicher Almosen.

Dadurch blieben die Eigentumsstrukturen weitestgehend unangetastet und die wirtschaftlichen Verhältnisse im Wesentlichen intakt. Man mag einwenden, dass dies nicht finanzierbar sei. Doch wenn etwas für einen Teil der Bevölkerung finanzierbar sein soll, muss es das rein logisch auch für die Gesamtbevölkerung sein.

Wäre der Wohlstandsverlust für die Gesamtbevölkerung unerträglich, so wäre er das zwingend auch für die zunächst Betroffenen – und man müsste über die Abwägungsfrage der Gesundheit gegen den Wohlstand diskutieren. Im Vergleich zu Krediten oder Staatsbeteiligungen hätte das Entschädigungsmodell erhebliche Vorteile.

Denn wenn die Wirtschaft wieder anläuft, sollte sie nicht durch überschuldete Unternehmen oder interventionistische Politiker dabei ausgebremst werden. Schließlich gilt es den durch das Herunterfahren der Wirtschaft verlorenen Wohlstand schnell wieder zu erwirtschaften. Das historisch erfolgreichste Programm zur Schaffung von Wohlstand für alle lautet: Mehr Eigenverantwortung, mehr Privatinitiative, mehr Fleiß, mehr Kreativität und Erfindergeist, weniger staatliche Regulierung und weniger staatlicher Dirigismus.

In dieser Richtung liegt der Weg aus der Krise. Konkret könnten über Steuergutschriften durch Verlustrückträge im Sinne einer negativen Gewinnsteuer dringend benötigte Liquidität gesichert und durch erweiterte Abschreibungsregeln und niedrigere Steuersätze Investitionen attraktiver gemacht werden. Darüber hinaus sind die Dauerbrenner Bürokratieabbau, Deregulierung und schnellere Genehmigungsverfahren dringlicher denn je.

Erschienen bei Cicero Online 19.04.2020