GASTBEITRAG SÜDWEST PRESSE (NECKAR-CHRONIK): Umsteuern ist überfällig

GASTBEITRAG SÜDWEST PRESSE (NECKAR-CHRONIK): Umsteuern ist überfällig

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Man muss sich das einmal vor Augen halten. Die deutsche Verteidigungsministerin, gleichzeitig Parteivorsitzende der stärksten Regierungspartei, macht öffentlich Vorschläge zur Lösung einer schweren Konfliktlage, ohne sich zuvor mit dem Kabinett oder doch zumindest Kanzlerin und Außenminister auf eine Linie zu einigen. Letzteren informiert sie nur per SMS von ihrem Vorhaben. Er rächt sich für dieses Verhalten, das man wahlweise unprofessionell oder dilettantisch nennen darf, indem er bei einem Besuch vor Ort sagt, die Vorschläge der Verteidigungsministerin würden keine Rolle spielen.

Diese Bundesregierung gibt Deutschland vor den Augen der Weltöffentlichkeit der Lächerlichkeit preis. Die Apathie der Kanzlerin müsste spätestens jetzt ein Ende haben, sie müsste von ihrer Richtlinienkompetenz Gebrauch machen. Stattdessen laviert die sogenannte Große Koalition weiter so vor sich hin.

Das gilt auch in anderen Politikbereichen. Das Jahresgutachten der Wirtschaftsweisen hieß schon vor knapp zwölf Monaten „Vor wichtigen wirtschaftspolitischen Weichenstellungen“. Doch dieses Jahr verstrich ungenutzt. Die Konjunkturkrise ist da. Die Leidtragenden sind die Beschäftigten.

Von A wie Airbus bis Z wie ZF streichen Unternehmen Stellen, die Wirtschaftsleistung schrumpft – und dabei ist der zerstörerische Brexit noch gar nicht eingetreten, sondern entwickelt sich zunehmend zum Schrecken ohne Ende. Die Bundesregierung versucht es derweil mit der Vogel-Strauß-Strategie und steckt den Kopf in den Sand. Entlastungen bei Steuern, Bürokratie und Abgaben werden so zögerlich, dass netto am Ende des Jahres schon wieder eine Mehrbelastung steht. Die Digitalisierung der Verwaltung ist hinter dem Niveau etlicher früherer Ostblockstaaten. Für die Handelskriege der USA hat die Bundesregierung keine Strategie, Gegenmaßnahmen wie die Ratifizierung des Freihandelsabkommens mit Kanada bis heute nicht ergriffen. Das zeugt nicht von Handlungsfähigkeit.

Doch am schwersten wiegt, dass es bis heute keine Strategie der Bundesregierung zur Sicherung des Automobil- und Maschinenbauindustrie bei gleichzeitiger Erreichung der Klimaziele hat. Ein Klimakonsens ist mit der Einführung der CO2-Steuer unter anderem Namen in weite Ferne gerückt, klimaneutrale Kraftstoffe mit denen Benzin und Dieselautos auch unter Erreichung der Klimaziele weiter produziert und verwendet werden können werden durch eine absurd marktverzerrende und im Ergebnis klimaschädliche Gesetzgebung verhindert. Auch eine umfassende Strategie, wie die Wasserstoff-Brennstoffzelle eine faire
Chance bekommt, haben bisher weder Landes- noch Bundesregierung ergriffen. Es ist nicht mehr sprichwörtlich fünf vor zwölf. Es ist zwölf.

Ein Teil des Schadens ist schon angerichtet, ein Umsteuern ist mehr als überfällig. Doch ob diese chaotische Bundesregierung dazu in der Lage ist?
Ich vermute eher, dass sie den SPD-Parteitag im Dezember abwartet. Doch Deutschland kann nicht warten. Frau Merkel, handeln Sie!