GASTBEITRAG SÜDWEST PRESSE (NECKAR-CHRONIK): Zettelkrieg raubt Energie

GASTBEITRAG SÜDWEST PRESSE (NECKAR-CHRONIK): Zettelkrieg raubt Energie

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Bürokratie ist wie eine Hecke: Sie muss regelmäßig auf Stock gesetzt werden. Der stetig wachsende
Bürokratiedschungel belastet die Bürgerinnen und Bürger sowie die deutschen Unternehmen und bremst die
Wirtschaft. Der tägliche Zettelkrieg raubt vielen Menschen den letzten Nerv – sei es die Pflegekraft, die ein
Drittel der Arbeitszeit mit dem Ausfüllen von Formularen zubringt, oder die Unternehmensgründerin, die erst
einmal zahlreiche Anträge bei Behörden ausfüllen und lange Bearbeitungsdauern ertragen muss.

Daher war es zu begrüßen, dass die Bundesregierung im Koalitionsvertrag ein drittes
Bürokratieentlastungsgesetz ankündigte und zügig eine Verbändeanhörung durchführte. Danach geschah leider
lange, außer genervten Briefwechseln zwischen Wirtschaftsminister Altmaier und Finanzminister Scholz, nichts.
Jetzt endlich hat die GroKo ihren Entwurf vorgestellt: Er ist ernüchternd.

Klar, es sind einige richtige Dinge aufgegriffen, etwa die Forderung nach einem digitalen Meldeschein in Hotels,
die Digitalisierung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung oder die Anhebung der Kleinunternehmergrenze.
Schritte in die richtige Richtung.

Doch ein großer Wurf ist das alles nicht. Durch die voraussichtlich nur teilweise Digitalisierung der
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung könnte sogar noch neue Bürokratie aufgebaut werden: Im Zweifel werden
weiterhin die physischen gelben Zettel ausgestellt werden müssen, um einen Nachweis zu haben, falls die
Übermittlung an die Krankenkasse nicht funktioniert hat. Das ist nicht im Sinne des Erfinders.

Vor allem blieben aber große Entlastungsmöglichkeiten ungenutzt. Wir haben vom IW Köln durchrechnen
lassen, dass statt eines Entlastungsvolumens von einer Milliarde Euro pro Jahr auch das Zehnfache möglich
wäre. Ein großer Teil davon entfällt auf das chaotische Registerwesen in Deutlschand. Es gibt mehr als 200
Register, viele davon noch einmal nach örtlicher Zuständigkeit untergliedert und unterschiedlich ausgestaltet.
Gleiche oder ähnliche Daten werden mehrfach erhoben, Abgleiche und Qualitätschecks finden nicht statt.

Fehleranfällige Erhebungen, lästige, fehleranfällige Mehrfacherhebungen derselben Daten sollten entfallen. Hier
wurden Verbesserungen angekündigt, aber bisher gibt es weder ein Gesetz noch einen Zeitplan. Daneben
fehlen Vereinfachungen bei den Mindestlohndokumentationspflichten, die Anhebung des Schwellenwerts für
Buchführungspflichten und kürzere steuerliche Aufbewahrungspflichten. Kurz: Der Entwurf für das dritte
Bürokratieentlastungsgesetz legt bereits die Grundlage für seinen Nachfolger. Die Hecke wächst weiter und
schon bevor das dritte Bürokratieentlastungsgesetz wirksam wird, ist das vierte überfällig. Für Anregungen, wo
in Deutschland überflüssige Bürokratie abgebaut werden könnte, bin ich persönlich immer dankbar – die Politik
ist immer auch auf den Dialog darüber angewiesen, wie sich Gesetze und Regularien in der Praxis auswirken.
Speziell für das Thema Bürokratie haben wir daher die Adresse BuerokratieDschungel@fdpbt.de eingerichtet,
wo wir gerne sachdienliche Hinweise entgegen nehmen.