FAZ Interview: Ökosozialismus wird nie ein Vorbild für die Welt sein

FAZ Interview: Ökosozialismus wird nie ein Vorbild für die Welt sein

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Frage: Herr Theurer, hat die FDP mit „Fridays for Future“ ihren Frieden gemacht?

Theurer: Mir persönlich imponiert Greta Thunberg, weil sie den Regierungen der Welt den Spiegel vorhält: Da wurden Ziele formuliert, die nicht eingehalten werden. Die Schülerbewegung muss aber aufpassen, dass sie nicht von ökosozialistischen Aktivisten dominiert wird, denen es weniger um Klimaschutz geht, sondern um das alte Thema: Der Kapitalismus muss weg. Dabei war etwa die sozialistische DDR viel umwelt- und klimaschädlicher als die marktwirtschaftliche Bundesrepublik. Darüber debattieren wir mit den Schülern, weil nicht Wirtschaft und Kapitalismus der Klimakiller Nummer eins sind, sondern millionenfache legitime Einzelentscheidungen Bedürfnisse befriedigen, in Unternehmen, aber auch im individuellen Konsumverhalten.

Frage: War der Konsum für Liberale nicht immer das Reich der Freiheit? Steht der Liberalismus jetzt auch für zwangsweisen Verzicht?

Theurer: Der Vorteil einer ökologischen Ergänzung der Marktwirtschaft ist doch, dass individuelle Entscheidungen nicht durch Zwang herbeigeführt werden, sondern frei bleiben. Nicht „die Marktwirtschaft“ oder „die Industrie“ oder „das Wachstum“ sind die Schuldigen für den Klimawandel. Im Gegenteil: Sie sind die Voraussetzung für effiziente, nachhaltige Schaffung von Wohlstand und die Voraussetzung für Klimaschutz durch technischen Fortschritt. Unsere Antwort ist, dass es einen fairen Ordnungsrahmen braucht, nicht drakonische staatliche Eingriffe. Ein planwirtschaftliches, ökosozialistisches Verarmungsprogramm wird niemals Vorbild für die Welt sein.

Frage: Die FDP hatte lange Zeit ein Alleinstellungsmerkmal, weil sie für den Emissionshandel eintritt und die CO2-Steuer ablehnt. Die CDU sieht das jetzt ähnlich. Was spricht für den Emissionshandel?

Theurer: Der Emissionshandel ist eine großartige Erfolgsstory. In den Bereichen, in denen er eingesetzt wird, werden die Klimaziele in Deutschland und Europa bereits erreicht. Das spricht dafür, den Emissionshandel auch in den Bereichen einzusetzen, in denen die Ziele verfehlt werden, also Verkehr, Gebäude und Landwirtschaft. Der Handel mit Zertifikaten ist zielgenauer, weil eine Höchstgrenze für den CO2-Ausstoß vorgegeben wird und sich der Preis für CO2 dann am Markt bildet. Die Preissignale führen dazu, dass es Anreize gibt, CO2 dort zu vermeiden, wo die volkswirtschaftlichen Kosten am geringsten sind.

Frage: Ob man eine CO2-Steuer einführt und allmählich erhöht, oder Zertifikate verknappt, wodurch sich die Preise erhöhen, ist das Ergebnis nicht dasselbe?

Theurer: Historisch haben Lenkungssteuern dazu verführt, dass Einnahmen maximiert wurden, nicht die Lenkungswirkung. Beispielsweise wurde die Tabaksteuer immer nur in kleinen Schritten angehoben, um bloß niemanden vom Rauchen abzuhalten. Da mit dem Emissionshandel ein Einhalten der Klimaziele erzwungen wird, setzt das auch einen Anreiz für technischen Fortschritt und Klimaschutz über die aktuellen Preise hinaus – weil sie ja durchaus steigen könnten.

Frage: Der europäische Emissionshandel musste aber immer wieder korrigiert werden. Ganz so glatt läuft es also nicht.

Theurer: Ja, weil immer wieder systemfremde Eingriffe wie etwa die Milliardensubventionen des deutschen EEGs, des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, die Preise kaputtgemacht haben. Aber die Korrekturen, vor allem die außerplanmäßige Verknappung der Zertifikate, haben dazu geführt, dass die Kritik daran ausgeräumt werden konnte. Jetzt liegt der Preis für die Tonne CO2 im Emissionshandel bei 28 bis 30 Euro. Dadurch wird zum Beispiel die Kohleverstromung, sowohl von Steinkohle wie Braunkohle, unwirtschaftlich. Das Ende der klimaschädlichen Kohle käme also von ganz alleine, ohne dirigistische und planwirtschaftliche Eingriffe, wie sie jetzt von der Kohlekommission vorgesehen sind. Der Steuerzahler würde also um Milliardenbeträge entlastet.

Frage: Weil es keine Strukturhilfen gäbe?

Theurer: Vor allem, weil die Kraftwerksbetreiber nicht für die Enteignung durch die erzwungene Stilllegung entschädigt werden müssten. Die Kosten des Kohleausstiegs werden auf 80 Milliarden Euro oder mehr geschätzt. Das ist ein Irrweg auch deshalb, weil die Stilllegung eines Kohlekraftwerks für den Klimaschutz irrelevant ist, wenn nicht gleichzeitig Zertifikate im europäischen Emissionshandel vom Markt genommen werden. Sonst gibt es durch die Stilllegung mehr Zertifikate auf dem Markt, der Preis verfällt, und im Ausland laufen Kohlekraftwerke wieder kostengünstiger. Die europäische Gesamtmenge bleibt gleich. Der gleiche Klimaschutzeffekt könnte auch durch die bloße Löschung der Zertifikate erreicht werden, ohne dass der Staat vorzugeben braucht, welches Kraftwerk geschlossen werden muss.

Frage: Dauert es mit der Einführung des Emissionshandels in den neuen Sektoren nicht viel zu lange? Müsste sich die EU nicht erst einmal einig werden?

Theurer: Nein, das wäre zwar gut und ist der nächste Vorteil des Emissionshandels: Er ist europäisch möglich und hat einen europäischen Vorläufer. Aber es geht auch national und schnell.

Frage: Die Befürworter der CO2-Steuer sehen das anders: Es gehe eben noch schneller.

Theurer: Der Verdacht liegt nahe, dass Parteien, die anders als die FDP auf eine staatliche Lenkung der Wirtschaft setzen, an einer Steuerlösung größeres Interesse haben. Außerdem gibt es unter Politikern wie Svenja Schulze oder den Grünen-Vorsitzenden Robert Habeck und Annalena Baerbock einfach eine grundsätzliche Skepsis gegenüber marktwirtschaftlichen Lösungen. Der Nachteil der Steuer besteht aber gerade in ihrer mangelhaften Lenkungswirkung. Man weiß nicht, wie hoch sie sein muss, um die Wirkung zu erzielen, die man sich von ihr verspricht. Abschreckendes Beispiel ist die Ökosteuer, die unter Rot-Grün eingeführt wurde. Die gewünschte Wirkung blieb aus.

Frage: Länder wie Schweden oder die Schweiz haben eine CO2-Steuer und leben damit ganz gut. Wo ist der Unterschied zu Deutschland?

Theurer: Beide Länder haben einen anderen, sehr klimafreundlichen Energiemix, grob gesagt: Wasserkraft und Nuklearenergie. Da lässt sich ein ganz anderes Preisschild an die Steuer hängen als bei uns. Die Grünen vermeiden es deshalb absichtsvoll zu sagen, wie hoch denn die Steuer nun eigentlich sein soll und wie teuer dann Benzin und Diesel werden.

Frage: Deshalb ja auch die finanzielle Kompensation für die Bürger. Ist das bei einer Steuer nicht einfacher zu machen als beim Emissionshandel?

Theurer: Gegenfrage: Wie glaubwürdig sind denn solche Entlastungsversprechungen im Falle der CO2-Steuer? Wie stark sind die Steuereinnahmen in den letzten Jahren gestiegen, und wann gab es dafür auch nur eine nennenswerte Steuerentlastung durch den Staat? Auch, dass der Soli reduziert oder ganz abgeschafft wird, ist seit Jahren versprochen, wird aber nicht oder nur zum Teil eingehalten.

Frage: Und beim Emissionshandel, wäre es da ganz anders?

Theurer: Beim Emissionshandel stellt sich die Frage nur in zweiter Linie, weil technologischer Fortschritt kostengünstige Lösungen hervorbringt. Bislang herrscht aber keine Technologieoffenheit, im Gegenteil, synthetische Kraftstoffe werden diskriminiert.

Frage: Also keine Kompensation?

Theurer: Doch. Auch hier sollen die Einnahmen den Bürgern zurückgegeben werden, aber nach unserer Vorstellung gar nicht erst in den Staatshaushalt gelangen. Denn sobald sie einmal dort sind, geraten die Einnahmen in das Visier der Umverteilungspolitiker, die lieber ihre Wählerschichten bedienen als flächendeckend zurückgeben. Darüber hinaus wollen wir die EEG-Umlage und die Stromsteuer abschaffen. Die EEG-Umlage hat sich zu einem deutschen Sonderweg entwickelt. Der Bundesrechnungshof hat vorgerechnet, wie das EEG dazu geführt hat, dass die deutsche Energiewende besonders teuer ist, aber klimapolitisch besonders ineffektiv ist.

Frage: Und die Stromsteuer?

Theurer: Die FDP will sie erst halbieren, dann auf EU-Ebene ganz abschaffen. Wer Industrie und Mobilität klimaneutral gestalten will, muss auf Elektrifizierung setzen, die sich auf regenerative Quellen stützen muss. Da hat es keinen Sinn, diesen Innovationsprozess zu verteuern und den Strom zu besteuern.

Frage: Die FDP wirbt für synthetische Kraftstoffe und Wasserstofftechnik. Warum?

Theurer: Unsere Mobilität würde dadurch weniger eingeschränkt, die Frage der Rohstoffe würde sich nicht so drastisch stellen, es gibt die Infrastruktur schon, und es gäbe einen globalen Markt. Mit Elektro-Lastkraftwagen, die Oberleitungen brauchen, kommt man auf weltweiten Märkten nicht weit.

Frage: Ist der Zug in Richtung Lithium-Batterie nicht schon abgefahren?

Theurer: Die These der Grünen, dass sich die Batterieautos automatisch durchsetzen, weil China darauf setze, hat sich als eines von Anton Hofreiters Märchen herausgestellt. China und andere Länder setzen längst auch auf die Brennstoffzelle. Ich bin der Meinung, dass wir dieses Rennen nicht verlieren dürfen. Deutschland muss zum Wasserstoffland Nummer eins werden. Das wäre auch eine Perspektive für die Regionen zum Beispiel in der Lausitz. Wir waren mal Vorreiter der Brennstoffzellentechnik. Das tut richtig weh mitanzusehen, wie wir den Zug verpassen. Wenigstens gibt es jetzt die Ankündigung einer Wasserstoff-Strategie des Bundeswirtschaftsministers – wobei ich bei seiner Vielzahl an Ankündigungen inzwischen sehr skeptisch bin.

Die Fragen stellte Jasper von Altenbockum.