Kolumne Neckarchronik: Absetzgelände Haiterbach

Print Friendly, PDF & Email

Aus der Erfahrung als Oberbürgermeister weiß ich, wie hart der Wettbewerb bei Unternehmensansiedlungen sein kann. Inländische Standorte konkurrieren untereinander und mit Regionen weltweit. Insofern ist es verständlich und absolut richtig, dass Baden-Württemberg alles getan hat,  um das Forschungs- und Entwicklungszentrum von Bosch im Land zu halten – schon wegen der 1700 Beschäftigten. Es ist auch in Ordnung, dass dafür das Absetzgelände der Bundeswehr in Renningen weichen musste. Absolut fragwürdig ist aber das Suchverfahren nach einem Ersatzgelände für die Luftlandetruppen.

120 Sprungtage jährlich auf einer Fläche 400 x 1000m, einer Graspiste mit 20t Traglast und eine Entfernung von 37km vom Bundeswehrstandort in Calw, so die Anforderungen. 41 Standorte wurden näher betrachtet, davon Haiterbach, Hofgut Mauer und Wildberg in je zwei Varianten sowie Schallberg in drei Varianten für die Ausrichtung einer Landebahn.

Über die Jahre habe sich, so bemängelt der Anwalt der Stadt Haiterbach nach seiner Akteneinsicht Ende 2018, die Bewertungsmatrix immer wieder verändert, sodass sich die Variante in Haiterbach von Platz 5 auf Platz 2 verschob. Es ist vor diesem Hintergrund nicht verwunderlich, dass die betroffenen Bürger die Objektivität der Entscheidungsfindung bezweifeln.

Ohne Berücksichtigung der militärischen Eignung wäre der Waldhof auf dem ersten Platz. Im April 2016 hat das Land den Standort in seinen Akten gar als politisch vorzugswürdig beschrieben, da die Fläche bereits Landeseigentum ist. Die mangelnde Eignung, so scheint es, resultiert einzig aus der zu weiten Entfernung. Auffallend jedoch, dass die maximale Strecke von zunächst 15km auf genau die 37km angehoben wurde, die es von Calw nach Haiterbach sind. Die viertel Stunde, die Waldhof weiter entfernt ist als Haiterbach, ist wiederum angeblich zu viel. Einiges spricht dafür, diese Kriterien grundsätzlich zu überdenken und alle Faktoren transparent zu machen.

Auf frühere Anfragen hatte die Bundesregierung stets auf die Umweltverträglichkeitsprüfung verwiesen, welche vom Ergebnis der Vorprüfung abhänge. Jetzt, danach, steht die Antwort auf meine parlamentarische Frage, in welchem Umfang es eine Prüfung in Haiterbach geben werde, noch aus. Ebenfalls die Frage nach dem Umfang der Beteiligung betroffener Städte und Gemeinden. Je nach Variante wären unterschiedliche Gemeinden betroffen, darunter neben Haiterbach auch Waldachtal und Horb, insbesondere die Stadtteile Altheim und Talheim.

Jetzt geht es darum, Klarheit zu schaffen. Natürlich liegen sicherheits- und verteidigungspolitische Aufgaben im Gemeinwohlinteresse. Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass die Stadt Horb mit der Auflösung des Bundeswehrstandorts eine Schwächung erfahren hat, die noch nicht völlig ausgeglichen werden konnte. Das Bosch-Forschungszentrum hätten wir in Horb gerne genommen. Welche Vorteile das Absetzgelände für die Anwohner haben soll, wurde bislang weder von der Landes- noch der Bundesregierung deutlich gemacht. Sollten die Vorteile die Nachteile nicht überwiegen, müssen diese ausgeglichen werden. Denn von digitaler Infrastruktur, besserer Verkehrsanbindung sowie Hochschulen und Forschungseinrichtungen profitiert unsere Region mit großer Sicherheit mehr als von Flugzeugen im Tiefflug.