Interview ZDF-Morgenmagazin: Die Bundesregierung hat kein gutes Bild abgegeben

Interview ZDF-Morgenmagazin: Die Bundesregierung hat kein gutes Bild abgegeben

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Frage: Die Entscheidung ist wohl gestern Abend im geheim tagenden Bundessicherheitsrat gefallen. Nach wochenlangem Streit hat sich die Bundesregierung darauf verständigt, Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien bis zum Jahresende weiter auszusetzen. Vor allem die SPD hatte auch schon in den Wochen zuvor Druck ausgeübt, zum Ärger vieler Unionspolitiker und auch zum Ärger der Bündnispartner Frankreich, Spanien und Großbritannien. Die Entscheidung hat vor allem mit der Ermordung des Journalisten Khashoggi zu tun, der in der saudischen Botschaft in Istanbul ermordet worden war. Wie finden Sie denn die Entscheidung?

Theurer: Fakt ist, dass die Bundesregierung kein gutes Bild abgegeben hat. Das war ein Trauerspiel, was wir da erleben mussten. Statt im geheimen Bundessicherheitsrat diese Fragen zu besprechen, gab es einen Koalitionsstreit auf offener Bühne. Das Ansehen Deutschlands ist dadurch geschädigt, insbesondere bei unseren Bündnispartnern. Und Deutschland muss da ein verlässlicher Partner sein.

Frage: Und wie finden Sie die Entscheidung?

Theurer: Die Entscheidung, rein deutsche Produkte nicht nach Saudi-Arabien zu exportieren, finden wir richtig. Allerdings ist ja die entscheidende Frage die Frage der Bündnisfähigkeit und der Bündnistreue bei Komponenten. Wenn etwa der britische Verteidigungsminister extra nach Berlin reisen muss, wenn die französische Botschafterin sagt, das Schlimme an der deutschen Politik ist ihre Unberechenbarkeit, dann muss uns das schwer zu denken geben. Denn wenn es in Zukunft um große Rüstungsprojekte auch für unsere eigene Sicherheit geht, etwa die Entwicklung eines eigenen Kampfflugzeugs oder eines Kampfpanzers, dann werden wir Deutschen nur dabei sein, wenn sich unsere Partner, vor allen Dingen eben auch Frankreich, darauf verlassen können, dass am Ende eine gemeinsame Vorgehensweise gefunden wird. Und deshalb fordern wir als FDP die Bundesregierung auf, endlich auch eine konsistente Sicherheitsstrategie zu entwickeln. Und ja, wir brauchen europäische Rüstungsexportregeln.

Frage: Lassen Sie den europäischen Aspekt uns gleich noch mal weiter vertiefen. Große Teile der Union, die wollten den Exportstopp ja aufheben, die SPD auf gar keinen Fall. Wonach sieht es jetzt hier für Sie aus bei dieser Einigung?

Theurer: Bei dieser Einigung ist es so, dass glücklicherweise endlich eine Linie gefunden wurde. Der Streit der Bundesregierung auf offener Bühne – das geht gar nicht, denn es sind Sicherheitsinteressen berührt. Bei rein deutschen Produkten zu sagen, in die schwierige Situation im Nahen Osten nach Saudi-Arabien nicht zu exportieren, halten wir für richtig. Aber dass Komponenten, da geht es zum Teil ja auch um kleine technische Teile, wie etwa elektronische Sicherungen, dass die den Partnern nicht geliefert werden können, wird dazu führen, dass wir auf Dauer als Deutsche nicht mehr dabei sind. Das schadet Deutschlands Ansehen bei den europäischen Partnern, aber es unterminiert vor allen Dingen den Anspruch der Europäer, weltweit in der Sicherheitspolitik eine Rolle zu spielen.

Frage: Und das hat in den letzten Monaten ja auch an Fahrt, Bedeutung aufgenommen. Was bedeutet denn diese Entscheidung jetzt auf europäischer Ebene, weil Sie das gerade erwähnt haben, Frankreich hat davon gesprochen, dass man sich nicht mehr auf Deutschland verlassen könne? Da ist ja viel Porzellan zerschlagen worden.

Theurer: Absolut, ein totales Trauerspiel, ein schlechtes Bild, das die Bundesregierung da abgibt. Die Partner sind irritiert. Wir hören das überall und wir glauben, dass wir als Bundesrepublik Deutschland strikt und schnell zu einer verlässlichen Linie zurückkommen müssen. Wir werden als Deutsche ansonsten einen gefährlichen Alleingang, eine Sonderrolle gehen. Und die hat sich ja in der deutschen Geschichte absolut nicht bewährt. Deshalb brauchen wir dringend gemeinsame europäische Exportregeln. Und die Bundesregierung sollte dafür sorgen, dass, wenn Genehmigungen schon erteilt worden sind, dass dann eben auch die Komponentenhersteller aus Deutschland auch liefern können.

Frage: Aber Sie als FDP, sie treten auch, man bekommt das jetzt im europäischen Wahlkampf mit, auch eben für die europäischen Werte ein. Für Menschenrechte, für Freiheitsrechte – darf man die in der Rüstungspolitik einfach vergessen?

Theurer: Auf keinen Fall. Das Primat der Politik muss im Vordergrund stehen. Aber was wir ja jetzt beim Streit in der Großen Koalition zwischen CDU/CSU und SPD erlebt haben, ist, dass da eine konsistente sicherheitspolitische Linie fehlt. Wir sind auch kritisch, weil wir den Eindruck haben, dass nicht alle Konflikte gleich beurteilt werden. Vor allen Dingen aber beurteilen offensichtlich unsere engsten Partner wie Frankreich und Großbritannien die Dinge ganz anders. Und hier müssen wir von der Bundesregierung fordern, dass sie sich enger mit den europäischen Partnern abstimmt. Wir haben doch anders auf der Welt überhaupt keine Chance, unsere Interessen zu Gehör zu bringe. Das schaffen wir nur gemeinsam als Europäer.

Die Fragen stellte Mitri Sirin.