Gastbeitrag XING: Ein bedingungsloses Grundeinkommen ist leistungsfeindlich

Gastbeitrag XING: Ein bedingungsloses Grundeinkommen ist leistungsfeindlich

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Es ist richtig, unsere Sozialsysteme einfacher und fairer zu machen. Angespartes und Hinzuverdientes müssen außerdem besser geschützt werden. Eines dürfen wir aber nicht opfern: den Anreiz, auf eigenen Beinen zu stehen.

Kaum ein Begriff wurde in der politischen Diskussion zuletzt so widersprüchlich gebraucht wie das Wort „Grundeinkommen“. Bevor wir uns aber in das Lager dafür oder dagegen einteilen, sollten wir uns daran erinnern, was überhaupt das Ziel von Sozialleistungen ist. Nämlich uns allen die Freiheit zu geben, ohne Angst vor Armut zu leben, unseren Talenten zu folgen und für uns selbst zu sorgen.

Darüber zu diskutieren, ob ein Grundeinkommen der beste Weg dorthin ist, funktioniert wegen der schwammigen Begriffsdefinition nicht. Ein konstruktiver Vorschlag: Statt mit Schlagworten zu argumentieren, sollten wir zunächst konkret benennen, wie wir unser Solidarsystem in Zukunft ausgestalten wollen, was wir damit wie erreichen wollen – und welche Kosten durch unsere Entscheidungen auf uns zukommen. Erst dann können wir uns darauf einigen, welchen Weg wir alle gemeinsam gehen wollen.

Wie schwierig die Diskussion mit Schlagworten ist, zeigt schon ein Blick zurück auf die vergangenen Tage und Wochen. Als kürzlich Grünenchef Robert Habeck sein Garantiesicherungskonzept vorstellte und SPD-Chefin Andrea Nahles gar vom Bürgergeld sprach, trauten manche in der FDP ihren Ohren kaum: Hatten Sozialdemokraten und Grüne etwa das FDP-Konzept des liberalen Bürgergelds übernommen?

Das liberale Bürgergeld soll die übermäßige Bürokratie und die Armutsgefahr drastisch reduzieren, die unser aktuelles Sozialsystem mit sich bringt und die seine größten Schwächen sind. Gleichzeitig soll es aber eine bereits millionenfach bewiesene Stärke weiter ausbauen: Anreize zu liefern, wieder für sich selbst zu sorgen.

Um das zu erreichen, soll das liberale Bürgergeld steuerfinanzierte Sozialleistungen in einer Leistung und an einer staatlichen Stelle zusammenfassen. Dazu gehören zum Beispiel die Regelleistung und die Unterkunftskosten des Arbeitslosengelds II, die Grundsicherung im Alter, die Sozialhilfe zum Lebensunterhalt, der Kinderzuschlag und das Wohngeld.

Dies führt den Entbürokratisierungsweg der Agenda 2010 fort, als Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe zusammengelegt wurden. Der Dschungel an Sozialleistungen lichtet sich. Bedürftige bekommen alle Leistungen von einem Amt. Damit sie nicht erst in Armut gebracht werden, sollte auch das Schonvermögen höher sein als bisher.

Dabei halten wir grundsätzlich an dem Prinzip des Forderns und Förderns fest, denn es hat Millionen Menschen in Lohn und Brot gebracht. Niemand will Arbeitssuchenden Knüppel zwischen die Beine werfen, daher ist es von entscheidender Wichtigkeit, dass sich die Arbeitsaufnahme lohnen muss. Künftig sollten Menschen daher deutlich einfacher hinzuverdienen können, damit ihr Aufstieg ermöglicht wird.

Dem am nächsten kommt das Konzept der Grünen. Viele Kernpunkte sind identisch mit der liberalen Position. Unterschiede gibt es in zwei Bereichen: Erstens soll es hier keine Sanktionen mehr geben – doch dies verringert meiner Überzeugung nach die Leistungsanreize. Wenn jemand grundsätzlich in der Lage ist, für sich selbst zu sorgen, aber temporär auf die Solidarität der Gesellschaft angewiesen ist, darf diese im Gegenzug auch erwarten, dass der Betroffene dazu beiträgt, aus dieser Lage herauszukommen.

Der zweite Unterschied ist, dass das grüne Konzept die Höhe der Garantiesicherung deutlich über dem bisherigen Niveau von Hartz IV ansetzt. Um diese Mehrausgaben gegenzufinanzieren, sollten nach Ansicht der Grünen die Steuern erhöht werden. Das hätte allerdings zweierlei zur Folge. Zum einen fehlten dann die Spielräume für attraktivere Zuverdienstregeln. Heißt: Es wird erst ab einem höheren Einkommen attraktiv, zu arbeiten – entsprechend würden sich weniger Menschen um einen Zuverdienst bemühen.

Zum anderen würde der Status quo Deutschlands als das Land mit den höchsten Steuern für Unternehmen und möglicherweise dann auch mit der höchsten Steuer- und Abgabenlast für Normalverdiener zementiert. Insgesamt ist das grüne Konzept im Vergleich also ziemlich leistungsfeindlich – wenn auch weniger schlimm als ein bedingungsloses Grundeinkommen, wie es beispielsweise Landesverbände der Linkspartei fordern.

Bei Andrea Nahles versteckt sich dagegen hinter dem schönen Namen Bürgergeld vor allem eines: „Mehr, mehr, mehr“. Ihr geht es nicht um Bürokratieabbau, sondern schlicht darum, Bedürftigen ohne Gegenleistung deutlich mehr Geld als bisher auszuzahlen. Sie pervertiert den Begriff Bürgergeld, indem sie so tut, als ob nur Durchschnittsverdiener vollwertige Bürger seien und deshalb alle Leistungen so hoch sein müssten, dass der Lebensstandard von Leistungsempfängern sich dem Durchschnitt angleicht. Im Endeffekt sprechen wir hier von offenem Sozialismus: in Deutschland schon einmal gescheitert und daher kein Weg in eine positive Zukunft.

Eine Reform, die den Sozialstaat entbürokratisiert, Leistungen bündelt und Zuverdienst attraktiver gestaltet könnte jedoch eine echte Chance sein. Bedürftige erführen auf der einen Seite viel unkomplizierter und würdevoller als heute Solidarität der Gesellschaft, auf der anderen Seite werden Leistungsanreize gestärkt – denn das Erwirtschaften kommt auch morgen noch vor dem Verteilen.