Südwestpresse-Gastbeitrag: Endlich entlasten

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Wir stecken in einer gefährlichen Wirtschaftslage: Einerseits sind die Zahlen gut, die Arbeitslosigkeit niedrig, der Wohlstand wächst. Andererseits dreht sich die Debatte in Deutschland kaum mehr um das Erwirtschaften zukünftigen Wohlstands oder auch nur dessen Verteilung, sondern viel mehr um Identitätsfragen und Migration.

Das ist legitim, die Probleme müssen gelöst werden. Es muss einen funktionierenden Schutz der Außengrenzen und eine Durchsetzung des Rechtsstaats geben. Falls nötig auch mit Grenzkontrollen.

Doch dies darf nicht den Blick auf die Zukunftsfragen verstellen. Durch über die Jahre gestiegene Steuern und Abgaben drohen wir, bei den Herausforderungen der Digitalisierung und der Globalisierung ins Hintertreffen zu geraten.

Man muss es sich einmal vor Augen führen: Als Angela Merkel 2005 Kanzlerin wurde, lagen die gesamtstaatlichen Steuereinnahmen bei 452 Milliarden Euro. Zum Ende dieser Legislaturperiode werden es voraussichtlich über 850 Milliarden Euro sein; fast das Doppelte.

Das bedeutet: Die Belastungen durch Steuern und Abgaben für Normalverdiener in Deutschland sind die zweithöchsten aller Industrieländer. Nach den Reformen in Frankreich und den USA wird es bei den Unternehmenssteuern ebenso sein. Die Strompreise sind inzwischen die höchsten in ganz Europa – das trifft neben den Unternehmen auch Menschen mit einem geringen Einkommen besonders hart.

Das kann auf Dauer nicht gut gehen. Die Frühindikatoren eines Abschwungs sind bereits am Horizont erkennbar – egal ob Geschäftsklima-, Konsumklima- oder Einkaufsmanagerindex: der Aufschwung scheint gebrochen, der Abschwung scheint zu beginnen.

Der späteste mögliche Zeitpunkt, um die nächste Krise abzuwenden, ist jetzt. Einerseits mit einer Offensive für Inlandsinvestitionen und einer Agentur für Sprunginnovationen. Andererseits mit einem umfassenden Bürgerentlastungsprogramm – ein solches stelle ich am heutigen Donnerstag im Deutschen Bundestag vor. Der Staat muss sich auf seine Kernaufgaben besinnen und den Bürgern Freiräume lassen.

Hier nur drei wichtige Punkte: Es fängt an mit einer kräftigen Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung – diese hilft allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und ihren Arbeitgebern. Sie ist überfällig, weil die Rücklagen deutlich über 20 Milliarden Euro liegen und Sozialkassen keine Sparkassen sind.

Der nächste Schritt wäre, im Arbeitszeitgesetz zumindest neue Abweichungsmöglichkeiten per Tarifvertrag zu schaffen. So könnten neue Freiräume für die Einteilung der Arbeitszeit ermöglicht werden. Davon profitieren beide Seiten: Gerade in internationalen Projekten ist ein Mindestmaß an Flexibilität notwendig. Gleichzeitig verbessert es die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, wenn man mal abends, nachdem die Kinder im Bett sind, noch kurz eine E-Mail schreiben und dann am Morgen normal weiterarbeiten darf.

Die Stromsteuer schließlich muss auf das europäische Mindestniveau gesenkt werden, und das Erneuerbare-Energien-Gesetz muss auslaufen. Denn es gibt ein Mittel, den Klimawandel gemeinsam und wirkungsvoll anzugehen: den Emissionshandel. Der muss gestärkt und ausgebaut werden, anstatt ständig den Bürgerinnen und Bürgern in die Tasche zu greifen.

Dann klappt es auch mit dem Wachstum.