Interview zur Regierungserklärung: Rückblick und Rechtfertigung

Interview zur Regierungserklärung: Rückblick und Rechtfertigung

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Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Michael Theurer gab der „Schwäbischen Zeitung“ (Donnerstagsausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellte Birgit Letsche:

Frage: Was ist Ihr Eindruck von Frau Merkels Regierungserklärung?

Theurer: Die Erklärung war über weite Strecken geprägt durch Rückblick, Rechtfertigung und Allgemeinplätze. Die großen Herausforderungen wurden zwar benannt, aber keine ausreichende Lösung aufgezeigt. Besonders im Bereich der Digitalisierung und der Modernisierung des Sozialstaates: Fehlanzeige.

Frage: Was hat Ihnen gefehlt?

Theurer: Deutschland braucht ein Fitnessprogramm, denn wir stehen vor dramatischen technologischen und ökonomischen Veränderungen. Unser Ziel ist als Idealmaß 40 20 40; 40 Prozent Staatsquote, 20 Prozent Steuerquote und 40 Prozent Sozialabgabenquote. Um das zu erreichen, braucht man mutigere Reformen: Flexibilisierung des Arbeitsmarktes, eine Entlastung der arbeitenden Mitte bei der Steuer und eine grundlegende Reform des Sozialsystems. Diese Punkte sind in der Vereinbarung der Großen Koalition nicht enthalten.

Frage: Was hat Ihnen gefallen?

Theurer: In der Regierungserklärung am besten gefallen hat mir die Selbstkritik, mit der Frau Merkel auf Versäumnisse in der Flüchtlingspolitik hingewiesen hat. Es bleibt aber der fahle Nachgeschmack zurück, warum sie in eigener Verantwortung nichts geändert hat.

Frage: Kann die Spaltung der Gesellschaft überwunden werden, wenn selbst die Kanzlerin und ihr Innenminister da uneins sind?

Theurer: Die Diskussion, die Horst Seehofer losgetreten hat, führt tatsächlich nicht weiter. Überhaupt ist die ganze Heimattümelei von Horst Seehofer ein Ablenkungsmanöver. Besser als solche Symboldiskussionen wäre ein klares Benennen der Herausforderungen. Ohne eine Technologieoffensive und ohne Forschungsfreiheit und Fortschrittsbegeisterung kann Deutschland den Wohlstand, den wir haben, und die Weltoffenheit, die wir schätzen, nicht verteidigen.

Frage: Gehört für Sie der Islam zu Deutschland?

Theurer: Muslimische Bürger und Bürgerinnen gehören selbstverständlich zu Deutschland. Diese Diskussion, die Seehofer da vom Zaun gebrochen hat, hilft nicht weiter. Religionsfreiheit ist ein liberaler Wert und ein im Grundgesetz geschütztes Grundrecht. Deshalb haben Menschen, die in Deutschland geboren sind, die muslimischen Glaubens sind, genauso eine Heimat hier wie Christen oder Atheisten.