Heute beginnt die weltweit wichtigste Industriemesse in Hannover – mein Beitrag zum Internet der Dinge

Heute beginnt die weltweit wichtigste Industriemesse in Hannover – mein Beitrag zum Internet der Dinge

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Das „Internet der Dinge“: was nach dem berühmten weißen Schimmel klingt ist nichts weniger als der wichtigste technologische und gesellschaftliche Umbruch seit der industriellen Revolution vor 200 Jahren – deshalb sprechen wir auch von der „digitalen Revolution 4.0“. Als Europaabgeordneter zuständig für Wirtschaft und Finanzen habe ich das Glück, unablässig mit spannenden neuen Entwicklungen konfrontiert zu werden. Nur wenig jedoch fasziniert mich so sehr wie das „Internet der Dinge“. Es birgt für den einzelnen Verbraucher riesige Chancen nicht nur was die bis dato unvorstellbare Fülle an Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten anbelangt. Sondern es wirkt in jeden Lebensbereich hinein – mit den entsprechenden Gefahren besonders etwa für Datensicherheit – Stichwort „gläserner Bürger“. Hier ist die Politik gefragt – und nicht nur hier.

Beim Internet der Dinge sind die USA unbestrittener Vorreiter. Nahezu sämtliche Meilensteine der digitalen Revolution gingen die Amerikaner – ehrwürdige Ausnahme der Erfinder von HTML, HTTP und URL sowie World Wide Web-Begründer, der Brite Sir Tim Berners-Lee (der indes dennoch bezeichnenderweise eine Professur am Massachusetts Institute of Technology innehat). Ansonsten: Die erfolgreichen Erfindungen und Produkte der großen amerikanischen Bluechips von IBM und Intel über Microsoft und Apple bis zu Facebook und Google lassen keinen Zweifel zu. Ja, der MP3-Spieler wurde im Wesentlichen in Deutschland erfunden, und der baden-württembergische Firmen-Softwarehersteller SAP macht erfolgreich Oracle Konkurrenz. Aber es ist leider unbestritten, dass die europäische Industrie und Wissenschaft bei der globalen Digitalisierung über weite Strecken mehr Zaungäste waren als alles andere.

Umso wichtiger ist jetzt der Blick in die Zukunft um zu verhindern, dass Europa weiter zurückfällt. Denn dies hätte auch fatale Konsequenzen für den Wirtschaft- und Forschungsstandort Europa, mit allen Implikationen für Wachstum und Wohlstand, Beschäftigung und Zukunftsperspektiven für die junge Generation sowie Wissenschaft und Forschung, die kaum im Nirwana existieren können und wollen – der Anschluss an die Unternehmenswelt ist unabdingbar.

Was können wir Politiker tun, um die europäische Industrie im globalen Wettstreit um die vorderen Plätze in der Digitalwelt zu unterstützen? Kann es gar gelingen, dass unsere Unternehmen wieder zur Speerspitze, zum Zugpferd werden, wie sie dies bei der industriellen Revolution einst waren, als es um das Erfinden von Dampflok, Flugzeugen oder Druckermaschinen ging? Gerade deutsche Ingenieurskunst ist weltweit berühmt und hoch anerkannt, viele unserer Mittelständler sind mit ihren Produkten Weltmarktführer. Warum tun wir uns bei der digitalen Revolution überhaupt so schwer?

Als Freier Demokrat lautet meine Devise grundsätzlich: So wenig Staat wie möglich – oder umgekehrt: Nur so viel Staat wie dringend nötig. Wir sind in erster Linie dafür verantwortlich, die richtigen Rahmenbedingungen für erfolgreiches und nachhaltiges Unternehmertum zu schaffen. Tüftler und Bastler, Firmengründer, Unternehmer, Manager – sie alle müssen sich in einem ordnungspolitischen Rahmen bewegen können, der es ihnen ermöglicht, Produkte zu entwickeln und zur Marktreife zu bringen: Überbordende Bürokratie, mangelnde Finanzierungsmöglichkeiten und dominierende Stellungen – partiell womöglich sogar marktbeherrschende – sind nur einige der Punkte, die uns Politiker hier in Brüssel in diesem Zusammenhang beschäftigen, die aber natürlich auch für andere Branchen gelten.

Speziell für die digitale Revolution lautet die Überschrift der EU-Institutionen „Schaffung einer Digitalunion“ – sprich, eines schrankenfreien Binnenmarktes für digitale Dienstleistungen. Die Digitalunion hat vier Säulen, die es an Ambitioniertheit nicht fehlen lassen, und um deren Verwirklichung und Ausgestaltung in den kommenden Jahren heftig gerungen werden dürfte. Ein erstes Paket hat der EU-Kommissar zuständig für die Digitalwirtschaft, der Deutsche Günther Oettinger, zu diesem Zweck bereits vorgestellt. Eine detaillierte Verhandlungsgrundlage wollen Oettinger und unser liberaler Parteikollege, der für die digitale Agenda zuständige Kommissions-Vize Andrus Ansip, im Oktober vorstellen.

Danach stehen uns spannende Debatten ins Haus – und das ist auch gut so, hat Europa das Thema doch zu lange verschlafen, so dass es jetzt die Agenda toppt, mit all seinen Facetten von der Kultur- über die Binnenmarkt- bis hin zur Wettbewerbspolitik. Der renommierte US-Wirtschaftsprofessor Jeremy Rifkin hat bei seinem Besuch im Europäischen Parlament sogar den Trend des „ProSumers“ vorgestellt – im digitalen Zeitalter werden aus Konsumenten gleichzeitig auch Produzenten. Wenn Kunden durch die Digitalisierung der Produktion beispielsweise die Einzelstücke ihrer Küche mit Hilfe eines 3D-Druckers selbst herstellen können, führt das zu einer völligen Umwälzung der Unternehmenslandschaft. Auf diese Herausforderungen müssen wir vorbereitet sein. Schon jetzt ist klar, dass sich weder die Kommissare selbst grün sind, ganz zu schweigen von den einzelnen Mitgliedstaaten und den Parteienfamilien im Parlament.

Zahlreich und hoch komplex und spannend sind die Fragen: Wie sollen wir mit Google umgehen mit seiner marktbeherrschenden Stellung und seiner Konkurrenz zu unseren heimischen Medienkonzernen? Zerschlagen? Eine europäische Alternative schaffen – einen Airbus für die Welt der Suchmaschinen? Einen Leistungsrechtschutz? Wir brauchen jedenfalls einen europäischen Urheberrechtsschutz, der auch in der digitalen Welt hohe Standards umfassen soll, aber nicht die kulturelle Vielfalt Europas gefährden darf – wie einheitlich soll dieser werden? Wie einheitlich und streng der Datenschutz, der ganz besonders fragmentiert ist? Wie können wir die Versteigerung von Mobilfunkfrequenzen besser koordinieren? Wie können wir den Mittelstand besser einbinden in die Digitalwirtschaft?

Wie kann der Breitbandausbau vorangetrieben werden? Besonders hier verlangen die Telekomanbieter immer wieder staatliche Anreize und sind Fördermöglichkeiten von Finanzspritzen bis hin zu „Regulierungsferien“, sprich, zeitlich befristete Ausnahmen vom Gebot der Öffnung von Infrastruktur auch für die Konkurrenz, immer wieder die Rede. Zu vielen Dossiers, darunter diesem, hat die Kommission in der Vergangenheit immer wieder Vorschläge gemacht, wurde aber von den EU-Mitgliedstaaten ausgebremst teils aus protektionistischen Gründen, da sie ihre großen Unternehmen schützen wollen.

Immerhin bei einem Gesetzesvorhaben sind die Verhandlungen bereits im vollen Gange, nämlich bei („ISA2“), das die öffentlichen europäischen Verwaltungen interoperabler machen soll. Ich bin Schatten-Berichterstatter für die liberale Fraktion ALDE. Ein hoch spannendes Thema, da so weitere elektronische Schranken abgebaut beziehungsweise gleich ganz verhindert werden sollen und einem Bürger oder Unternehmer in einem EU-Staat problemlos elektronische Behördengänge auch in einem anderen EU-Staat ermöglicht werden sollen.

Für uns Liberale gibt es bei der Entwicklung der Digitalunion einige unumstößliche Prinzipien: Wir stehen für ein offenes Internet mit klar definierter Netzneutralität, einem Recht auf freie Meinungsäußerung und Privatsphäre und ohne Marktzugangshürden. Wir fordern die Anpassung des Verbraucherschutzes an das digitale Zeitalter und eine Abschaffung der völlig vorgestrigen Roaming-Gebühren. Notwendig ist auch eine Strategie der EU für Cybersecurity und eine EU-Telekommunikationsaufsicht. Außerdem – und hier schließt sich der Kreis – setze ich mich ein für eine Gründerinitiative für digitale Start ups. Denn, wie eingangs gesagt: Die Politik kann nur die optimalsten Rahmenbedingungen schaffen. Forschung, Innovation, Umsetzung und Produktion findet in den Unternehmen statt!