Veranstaltung mit EU-Kommissar Janusz Lewandowski am 23. Januar 2014

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„EU-Steuer, Solidaritätsmechanismus, Eurozonenbudget?  – Sinn und Unsinn neuer Finanzierungsinstrumente in Europa“

Berlin/Brüssel, 23.01.2014 – In seiner Einführung zur Veranstaltung der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit „EU-Steuer, Solidaritätsmechanismus, Eurozonenbudget? – Sinn und Unsinn neuer Finanzierungsinstrumente in Europa“ freute sich Michael Theurer, dass es ihm zum idealen Zeitpunkt gelungen sei, den EU-Haushaltskommissar Janusz Lewandowski für einen Vortrag in Berlin zu gewinnen. Am Vortag habe der Rat den neuen Eigenmittelbeschluss für die künftige Finanzierung der EU auf den Weg gebracht. Aufbauend auf dem neuen Mehrjährigen Finanzrahmen 20014 – 2020 diskutierten rund 150 Teilnehmer mit dem EU-Haushaltkommissar, dem ehemaligen Staatsminister für Europa Michael Link und dem Dekan der Fakultät für Wirtschaftswissenschaft der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg Professor Dr. Karl-Heinz Paqué unter anderem die Sinnhaftigkeit einer eigenen EU-Steuer sowie eines Solidaritätsmechanismus.

Michael Theurer betonte in seiner Einführung als Vorsitzender des Haushaltskontrollausschusses im Europäischen Parlament den Vorrang einer effizienten und zielgenauen Verwendung von europäischen Geldern vor einem Aufblähen des EU-Haushaltes. Vor diesem Hintergrund begrüßte er, dass mit dem neuen Mehrjährigen Finanzrahmen eine echte Absenkung des EU-Haushaltes von 980 Milliarden Euro auf 960 Milliarden Euro für 7 Jahre erreicht worden sei, was auch einen Beitrag zur Konsolidierung der nationalen Haushalte leiste. Zudem betonte Theurer, dass eine effektive Haushaltskontrolle der beste Schutz vor Verschuldung und vor zukünftigen Staatskrisen sei.

EU-Haushaltskommissar Lewandowski nutzte die Gelegenheit, die wichtigen  Neuerungen des Mehrjährigen Finanzrahmens als Investitionsinstrument sowie Instrument der Koordinierung und Überwachung für die Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten anschaulich herauszuarbeiten. Während Link, Paqué, Theurer und Lewandowski geschlossen die Einführung der makro-ökonomischen Konditionalität als wichtige Reform zur Umsetzung von Strukturreformen begrüßten, war das Panel hinsichtlich der Einführung von EU-Steuern unterschiedlicher Meinung. Auch wenn EU-Kommissar Lewandowski ebenfalls strikt die Einführung einer eigenen Steuerkompetenz für die EU und die Aufgabe des Verschuldungsverbotes negierte, warb er dem Wortlaut von Artikel 311 AEUV entsprechend für weitere „echte“ Eigenmittel wie diese auch die Zolleinnahmen darstellen würden. Theurer erinnerte daran, dass die FDP im EP konsequent gegen die Einführung einer Finanzmarkttransaktionssteuer gestimmt habe. Die FDP in Berlin habe diese zwar im Paket mit dem Fiskalpakt mitgetragen, jedoch nur unter der Bedingung, dass es zu keiner Belastung der Realwirtschaft, der Sparer, der Altersvorsorge sowie keiner Verlagerung von Finanzgeschäften in Deutschland kommen dürfe. Link und Theurer warnten vor neuen Begehrlichkeiten durch neue Steuerquellen. Der ehemaligen Europastaatsminister Link widersprach zudem, dass es sich bei den Abführungen aus BNE um keine „Eigenmittel“ im Sinne des Vertrages handeln würde. Denn diese stünden völkerrechtlich verbindlich der EU zu und ermöglichten zielgenauer, weniger manipulationsanfällig und transparenter eine Punktlandung bei der Planung der EU-Finanzen. Zudem würde auch ein Anteil an einer nationalen Steuer die Nettozahlerdebatte nicht beenden.

Viele offene Baustellen sahen die Diskutanten beim Thema Solidaritätsmechanismus für die Eurozone, Geld gegen Reformen zu geben. EU-Kommissar Lewandowski wagte die Frage zu stellen, warum die EU für Reformen bezahlen solle, die im eigenen Interesse eines Reformlandes seien. Neben diesem grundsätzlichen „Moral Hazard“ Problem seien zahlreiche Fragen über die genaue Art (Darlehen, Zuschüsse, Garantien), der institutionellen Form, der Quelle und der Höhe der Unterstützung noch zu beantworten. Die Schlussfolgerungen des Gipfels der Staats- und Regierungschefs am 19./20. Dezember 2013 und die Verschiebung des Themas auf Oktober 2014 reflektierten denn auch die Skepsis auf vielen Seiten gegenüber diesem neuen Instrument. Auch dürfe man die Mitgliedstaaten finanziell nicht überfordern, so Lewandowski, und warb dafür, vor der Entwicklung neuer Instrumente vorrangig wichtige Vorgaben wie die Bankenunion abzuschließen

Hilfe zur Selbsthilfe begründe kein „Moral Hazard“ Problem, so Link, wenn sich die Länder denn wirklich selbst helfen wollten. Solidarität setze aber immer auch auf  Eigenverantwortung der Empfänger und Freiwilligkeit der Geber, weshalb ein derartiges Solidaritätsinstrument aus Sicht der Liberalen nur auf einem Einstimmigkeitsverfahren beruhen dürfe.

Auch Professor Dr. Paqué hielt eine ausgewogene Kombination aus Solidarität und Verantwortlichkeit für essentiell. Solidarität vernachlässige nicht den Gedanken der Eigenverantwortung. Zudem sei es im wohlverstandenen Eigeninteresse der Geber die Transformation in den Reformländern zu unterstützen, solange grundsätzliche Haftungsprinzipien dabei nicht außer Acht gelassen würden. Mit Blick auf die Kohäsionspolitik und strukturelle Probleme sei die Infrastruktur, die Hardware, so der Professor, mit Hilfe der EU schon sehr gut entwickelt worden. Große Rückstände bestünden jedoch noch hinsichtlich der Innovationskraft vieler Länder. Langfristig müsse darüber nachgedacht werden, den Begriff der Investitionen moderner zu fassen und weniger auf die sogenannte „Hardware“ zu begrenzen.

Abschließend widmeten sich die Redner noch dem Thema der Europaskepsis der Bürger. Diese richte sich gegen das permanente Eingreifen Brüssels ins alltägliche Leben der Bürger, den Verstoß gegen das Subsidiaritätsprinzip und weniger gegen den EU-Haushalt. Eine Legitimierung der EU könne nur über den Beweis deren Nützlichkeit erfolgen, so Lewandowski, und bewarb sich mit einem Zwinkern als zukünftiger Kommissar für die „Deregulierung in Europa“.