„Bericht aus Brüssel“ im Seewalder Bürgerkeller

„Bericht aus Brüssel“ im Seewalder Bürgerkeller

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„Die FDP muss ihre Positionen offensiver vertreten!“, forderte ein sichtlich gut erholter Michael Theurer, der direkt aus dem Urlaub in den Sonnenkeller nach Seewald-Besenfeld gekommen war. Der stellvertretende Vorsitzende der FDP im Europäischen Parlament eröffnete die heiße Wahlkampfphase mit einem Bericht zur Europa- und Bundespolitik. Der urlaubsbedingt kleine Kreis diskutierte umso intensiver auch die Pläne der grün-roten Landesregierung zur Errichtung eines Nationalparks im Nordschwarzwald sowie die aktuelle Lage der Holz- und Sägewirtschaft.

Michael Theurer, der auch Mitglied im FDP-Bundesvorstand ist, hob zunächst die Rolle der FDP bei der Stabilisierung des Euro hervor: Ohne die konsequente Haltung der FDP wären längst Eurobonds eingeführt worden. „Die Vergemeinschaftung von Schulden lehnen wir ab“, betonte Theurer und ergänzte: „Solidarität ja, aber nur in Verbindung mit Solidität.“ Die FDP lege auf allen Ebenen, vom Kreis über das Land und den Bund bis nach Europa, den Schwerpunkt auf die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte. Der effiziente und effektive Einsatz von EU-Mitteln ist das Hauptanliegen von Theurer in seiner Funktion als Vorsitzender im Ausschuss für Haushaltskontrolle. Zuvor habe die FDP die angestrebte große Steuerreform angesichts der Wirtschafts- und Finanzkrise nicht umsetzen können, allerdings hätten Union und FDP mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz die Bevölkerung bereits zu Beginn der Legislaturperiode um rund 23 Milliarden Euro entlastet. Die Liberalen seien die einzige Partei, die Steuererhöhungen konsequent ablehne. Die Belastung von kleinen und mittleren Unternehmen, aber auch von durchschnittlich verdienenden Facharbeitern sei eindeutig zu hoch und müsse mittel- bis langfristig gesenkt werden. „Die FDP muss noch viel entschiedener für den Mittelstand eintreten“, machte Richard Koch im Verlauf der Diskussionsrunde Mut.

Einig war sich die Versammlung, dass die Absenkung des Mehrwertsteuersatzes auf Hotelübernachtungen gerade für die mittelständische Tourismuswirtschaft des Schwarzwalds absolut notwendig war. Theurer berichtete von seinen Besuchen bei Handwerksbetrieben. Diese hätten von den Modernisierungsinvestitionen der Hoteliers stark profitiert. „Wahrscheinlich kam unterm Strich durch diesen Investitionskreislauf gar nicht weniger an Mehrwertsteuer herein“, warf ein Teilnehmer ein.

Seewalds Bürgermeister Gerhard Müller sprach die besondere Situation des ländlichen Raums an. So stelle sich in Besenfeld derzeit die Problematik der Nahversorgung mit Lebensmitteln, da der örtliche Laden derzeit geschlossen sei. Auch die medizinische Versorgung bereite ihm Kopfschmerzen, da im Zuge des Generationenwechsels viele niedergelassene Landarztpraxen nur schwierig einen Nachfolger finden würden. Fortschritte konnte Bürgermeister Müller bei der Breitband-Versorgung vermelden. Auf Nachfrage von Michael Theurer erläuterte der Seewalder Rathauschef, wie durch den gezielten Einsatz von Fördermitteln der EU, des Bundes und des Landes in Besenfeld, Göttelfingen und Schernbach ein leistungsfähiger High-Speed-Internetzugang realisiert werden konnte. Sorgenkind bleibe derzeit der Ortsteil Erzgrube. Hier würden momentan zwei Alternativen untersucht. Frank Günther aus Baiersbronn machte deutlich: „Der schnelle Zugang zum Hochgeschwindigkeitsinternet ist für die Zukunft mindestens so wichtig wie eine gute Verkehrsanbindung heute.“

Auf die konkrete Nachfrage von Landwirt Walter Pfeifle zum Nationalpark verdeutlichte Michael Theurer: „Die FDP Landtagsfraktion lehnt den Nationalpark geschlossen ab.“ Der Vorsitzende des Waldbesitzervereins Jochen Bier kritisierte, dass im offiziellen Anhörungsverfahren Bauernverband, Waldbauernverband und Forstkammer von der grün-roten Landesregierung am Anfang außen vor gelassen worden seien. Zwar habe der Landwirtschaftsminister dieses inakzeptable Versäumnis mittlerweile korrigiert, der Umstand sage aber viel über den Umgang der Landesregierung mit den Betroffenen aus. „Die großen Befürchtungen hinsichtlich der Borkenkäferplage konnten bisher nicht ausgeräumt werden.“

Michael Theurer forderte die Verantwortlichen der grün-roten Landesregierung auf, das klare Bürgervotum in den betroffenen Gemeinden zu respektieren. Es sei ein Treppenwitz, dass nun denjenigen ein Nationalpark übergestülpt werde, die seit Generationen den Wald, die Natur und die Umwelt schützen. „Im Nordschwarzwald brauchen wir keine Naturschutzbürokratie, weil wir praktizierende Umweltschützer sind.“ Letzten Endes werde für die Landesregierung der Umgang mit den aktiven Bürgerprotesten in den Schwarzwaldgemeinden zum Glaubwürdigkeitstest. Theurer: „Der Nationalpark macht doch nur mit den Bürgerinnen und Bürgern Sinn, nicht gegen sie!“