Deutsch-Französischer Motor wichtig für Europa und die Welt!

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THEURER-Gastbeitrag: Das Vereinte Europa ist eine Unabhängigkeitserklärung des Kontinents

Das FDP-Präsidiumsmitglied Michael Theurer schrieb für die „Huffington Post“ den folgenden Gastbeitrag:

An diesem Sonntag ist der „deutsch-französische Tag“: Am 22. Januar 1963 unterzeichneten Konrad Adenauer und Charles de Gaulle den historischen „Élysée-Vertrag“ und verankerten damit die deutsch-französische Freundschaft in einem Abkommen über Außen- und Sicherheitspolitik, aber auch Kulturpolitik, in dessen Folge nicht nur das deutsch-französische Jugendwerk, sondern auch der Flugzeughersteller Airbus entstanden.

Mit dem Wort Freundschaft wird seitdem herausgestellt, dass die Bedeutung des Verhältnisses der beiden Nachbarländer weit über klassisch-solide bilaterale Beziehungen hinausgeht. Der Vertrag besiegelte symbolisch das Ende der tragischen, kriegerischen deutsch-französischen „Erbfeindschaft“ und machte klar, dass die friedliche und prosperierende Zukunft beider Länder in der europäischen Integration liegt.

Neben der Aussöhnung und der Besiegelung regelrechter Freundschaft war expressis verbis somit auch der Aufbau eines „Vereinigten Europas“ erklärtes „Ziel beider Völker“. Heute ist es auch umgekehrt: Die Europäische Union, erneut und schlimmer denn je in schweres Fahrwasser geraten, ist so dringend wie nie auf Impulse der Achse Paris-Berlin angewiesen.

Deshalb gilt: 54 Jahre ist die Vertragsunterzeichnung nun her – aber auch wenn es kein runder Geburtstag ist, hätte man sich doch eine offizielle Zelebration auf höchster Ebene gewünscht. Aber in den Kalendern von Élysée, Kanzleramt, Assemblée Nationale Bundestag: Fehlanzeige, nicht einmal erwähnt wird das historische Datum.

Trotz der Wahlen im Frühjahr in Frankreich und im Herbst in Deutschland ist solche Ignoranz und Leisetreterei in den beiden Hauptstädten der größten EU-Mitgliedstaaten inakzeptabel. Schon seit den Zeiten von Nicolas „Speedy-Sarko“ Sarkozy stottert zwar der deutsch-französische Motor. Aber es wird jetzt höchste Zeit, ihn wieder anzuwerfen!

Wenn ein US-Präsident Donald Trump mit seiner Wortwahl und seinen schieren Gesten, seiner Fraternisierung mit Russland, seiner Absage an Freihandel und internationalen diplomatischen Gepflogenheiten, die westliche Wertegemeinschaft aufs Spiel setzt, wenn ein kalter Brexit die EU auseinander zu dividieren sucht und Nigel Farage und Konsorten sein Ziel einer britischen Steueroase erreichen lässt, wenn eine mögliche Präsidentin Le Pen an der Spitze der Grande Nation die EU gar gänzlich aufs Spiel zu setzen droht, dann muss mit viel mehr Verve und Fantasie dem entgegen gestanden werden als das bisher geschieht.

Wir wissen seit Jahren, dass Putin die EU schwächen will, dass er Euro-Gegnern den Rücken stärkt. Ein Schulterschluss Trump-Putin verheißt nichts Gutes. Was wir erleben, sind die Anfänge einer Aufteilung der Welt in Blöcke durch drei oder vier Großmächte, deren politische und wirtschaftliche Systeme und Wertegerüste nicht den unseren entsprechen, oder dies zumindest in Teilen nicht mehr tun.

Wenn die EU-Staats- und Regierungschefs am 25. März den 60. Geburtstag der Unterzeichnung der römischen Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften feiern, muss es deshalb auch um eine Rückbesinnung auf die eigenen Stärken, um eine kritische Bilanz gehen, mit konkreten Ergebnissen. Es muss Schluss sein mit destruktiver Kritik und hohlen Forderungen nach einer Reform der EU!

Wir müssen zeigen, dass wir an unsere Werte und Rahmenbedingungen glauben, dass wir in Anerkennung unserer Unterschiedlichkeit zusammenstehen und Gestaltungsmacht besitzen. Wir müssen uns endlich auch auf die Stärken des Lissabonner Vertrags besinnen und sie nutzen und viel mehr als bisher auf die Gemeinschaftsmethode setzen. Denn nur sie bedeutet Transparenz, die Einbeziehung der Bürgerkammer – des Europäischen Parlaments – und nur sie kann gleichsam wirken in allen EU-Mitgliedstaaten.

Wenn die liberale Demokratie und Rechtsstaatlichkeit so unverhohlen wie derzeit von Populisten und dahinter stehenden Großinteressen in den Schmutz gezogen werden und damit die Gestaltungsmacht der kleinen Leute gebrochen wird, kann die Antwort integrer Demokraten nicht laut genug sein.

Francis Fukuyama mit seinem Ende der Geschichte nach dem Kalten Krieg hatte unrecht. Wir können keine unserer als gesichert geglaubten zivilisatorischen Errungenschaften mehr als auf ewig garantiert annehmen: Wir müssen für sie kämpfen. Wer sich in der Demokratie aufs faule Ohr legt, wacht in der Diktatur wieder auf.

60 Jahre römische Verträge sind auch Gelegenheit, die alte Vision neu in den Blick zu nehmen. Das Vereinte Europa ist eine Unabhängigkeitserklärung des Kontinents. Dies ist noch wichtiger in einer sich herausbildenden multipolaren Welt, in der Mächte wie Russland und China, aber auch die USA mit Präsident Trump ihre Interessen rücksichtsloser zu vertreten scheinen.

Das Vereinte Europa allerdings braucht eine lebendige Achse Paris-Berlin. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, den deutsch-französischen Motor wieder ins Laufen zu bringen:

Dies beginnt mit dem Erwerb der Sprache des Nachbarn, die in beiden Ländern dramatisch zurückgeht. Und es reicht über die dringend notwendige Erarbeitung eines gemeinsamen Verständnisses in der Wirtschafts- und Finanzpolitik, was intensive gemeinsame Diskussionen in den Parlamenten und Regierungen voraussetzt.

Und es muss münden in einem Maßnahmenpaket für die Vertiefung der institutionellen Zusammenarbeit. Und wie wäre es mit einer neuen europäischen industriepolitischen Initiative im Digitalbereich nach dem Vorbild von Airbus? Wenn Europa ein gemeinsames Wirtschaftsinteresse hat, dann doch bei der digitalen Infrastruktur von Glasfaser bis Supercomputern und in der Schaffung eines Digitalen Binnenmarkts.