Interview WDR 5 Morgenecho: Kurzarbeitergeld bekämpft nur Symptome

Interview WDR 5 Morgenecho: Kurzarbeitergeld bekämpft nur Symptome

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FDP-Präsidiumsmitglied Michael Theurer gab dem „WDR5 Morgenecho“ (heute) das folgende Interview. Die Fragen stellte Uwe Schulz.

Frage: Friedrich Merz hat gestern Abend in Düsseldorf gesagt, bei einer seiner Wahlkampfveranstaltungen, das [die Verlängerung des Kurzarbeitergeldes] sei im Grunde nur verdeckte Arbeitslosigkeit. Sehen Sie es auch so?

Theurer: Also auf den ersten Blick ist die Verlängerung des Kurzarbeitergeldes notwendig, um den weiterhin leidenden Firmen das Überleben zu sichern, aber es ist in der Tat eben nur Symptombekämpfung. Wir brauchen echte Reformen. Und die Große Koalition muss auch endlich aktiv werden und Wachstumsimpulse für den Arbeitsmarkt setzen. Wir haben zum Beispiel vorgeschlagen als Alternative, ein sogenanntes Jump-Start-Programm, sodass jemand der neue Arbeitsplätze schafft, für 6 Monate von den Sozialversicherungsbeiträgen entlastet wird. Nur Kurzarbeitergeld zu bezahlen, um ihre Frage zu beantworten, das hemmt den Strukturwandel. Wir hatten das schon mal nach der Deutschen Einheit, das sogenannte Kurzarbeitergeld Null. Das hat aber am Ende nicht dazu geführt, dass die Arbeitsplätze in den neuen Bundesländern gesichert werden konnten. Der Strukturwandel kam später, er kam mit größerer Härte, und deshalb sagen wir einfach, das Kurzarbeitergeld zu verlängern, hat wahrscheinlich mehr mit der Bundestagswahl zu tun, als damit Probleme zu lösen. Und wir halten das, in dieser pauschalen Form jedenfalls, für unseriös.

Frage: Was wenn die GroKo sagt: Auch eine schöne Idee, aber wir begreifen sie komplementär was Sie gerade vorschlagen, nämlich StartUps oder neuen Arbeitgebern auch Zuschüsse zu gewähren, aber wir lassen für die Etablierten das Kurzarbeitergeld weiterlaufen. Warum machen Sie ein Gegeneinander daraus?

Theurer: Also wir haben hier eine Alternative vorgeschlagen, weil wir dringend neue Arbeitsplätze brauchen, und wir sind ja nicht am Ende der Krise, wir sind mittendrin. Nach der Infektionswelle droht die Insolvenzwelle. Die ist ja im Moment ausgesetzt, weil die Insolvenzantragsfrist ausgesetzt wurde. Wir befürchten, dass der Strukturwandel eben mit voller Wucht kommt und deshalb ist es wichtig in den Branchen in denen neue Arbeitsplätze entstehen, insbesondere im Bereich der Digitalisierung, des Onlinehandels, aber auch der Biotechnologie und der Pharmazie, dass dort neue Arbeitsplätze gefördert werden. Und ja, wir werden es erleben, dass unter Umständen gegen wegbrechende Märkte, auch durch staatliche Subventionen, Arbeitsplätze nicht erhalten werden können.

Frage: Es klingt plausibel, wenn Sie sagen, wir wollen den Innovationsstandort fördern, ich frage mich nur, ob gerade in diesem Konjunkturklima StartUps überhaupt dafür Investoren finden und ob jetzt überhaupt ein Investitionsklima schon besteht. Uns haben in den letzten Wochen immer wieder StartUps erzählt, ‚Wir sind in größten Schwierigkeiten, weil uns die Geldgeber abspringen‘. Also wo soll auf einmal dieser Mut herkommen, auf den Sie bauen?

Theurer: Wir sehen in jeder Krise auch eine Chance, aber Sie haben natürlich völlig Recht, das ist nicht einfach. Deshalb haben wir ja auch ganz andere Hilfen für die Unternehmen vorgeschlagen, wie z.B. Steuerrückerstattungen anstatt Krediten. Aber kurzum um auf das Kurzarbeitergeld nochmal zurückzukommen, es ist Symptombekämpfung und die entscheidende Sorge, die wir haben, ist die Überlastung der Sozialkassen, insbesondere die pauschale Erhöhung des Kurzarbeitergeldes; die stopft ja keine Löcher – sondern das ist mit der Gießkanne eine Pauschalforderung und überlastet die Sozialkassen, und damit wäre niemandem gedient. Das ist auch eine Frage, die der Bundesarbeitsminister dringend beantworten muss, wie er das auf Dauer bezahlen und finanzieren will.

Frage: Ja. Wenn Sie jetzt riskieren, so viele Leute in die Arbeitslosigkeit zu entlassen, wird das später die Sozialkassen belasten, denn dann fallen für die Menschen Rentenzahlungen, Rentenansprüche flach, sie werden also später die Probleme haben, die möglicherweise jetzt wegzupuffern wären.

Theurer: Sie hätten dann Recht, wenn Sie davon ausgehen, dass in wenigen Monaten die Geschäftsmodelle in all den Firmen, die aktuell unterbeschäftigt sind, wieder voll anspringen und wir dann wieder bei der Vollbeschäftigung sind…

Frage: Aber davon gehen Sie ja auch aus bei den StartUps. Das es super brummen würde. Also warum sagen Sie, die Etablierten haben Schwierigkeiten und die Neuen nicht?

Theurer: Nein, Entschuldigung, das ist ja nicht richtig. Also wir müssen leider davon ausgehen, dass durch die Störung internationaler Wertschöpfungsketten, durch die Störung der Märkte, durch wegbrechende Nachfrage in kurzer Zeit eben nicht der Zustand von vor der Corona-Pandemie entsteht. Es wird ein Strukturwandel kommen und darauf spiele ich ja an; dass neue Arbeitsplätze in Wachstumsbranchen entstehen, darauf müssen wir setzen. Also ich fasse es mal kurzum zusammen: Die FDP ist nicht grundsätzlich gegen eine Verlängerung des Kurzarbeitergeldes; wir sagen aber nicht bis zur Bundestagswahl und wir sagen eine pauschale Aufstockung des Kurzarbeitergeldes überlastet die Sozialkassen und drittens, wir wollen, dass neue Arbeitsplätze unterstützt und gefördert werden, denn der Strukturwandel lässt sich gestalten aber nicht aufhalten.