Gastbeitrag Focus Online: Wasserstoff hat großes Potential in unterschiedlichsten Anwendungsfeldern

Gastbeitrag Focus Online: Wasserstoff hat großes Potential in unterschiedlichsten Anwendungsfeldern

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Wasserstoff hat großes Potential in unterschiedlichsten Anwendungsfeldern. Doch bisher wird die effektive Nutzung politisch verhindert. Die Wasserstoffstrategie der Bundesregierung lässt weiter auf sich warten – währenddessen denkt China in Richtung Technologieoffenheit um.

Die immer wieder groß angekündigte Wasserstoff-Strategie wird vom Bundeskabinett wieder nicht verabschiedet. Sie wurde erneut verschoben, soll nun vielleicht irgendwann im neuen Jahr kommen. Die Ressortabstimmung kommt dem Vernehmen nach nicht voran: Das Umweltministerium einerseits und das Wirtschafts- und Energieministerium liegen im Clinch.

Dabei steht das Umweltministerium auf der Bremse – hier sitzen ideologische Verfechter der „Elektrifizierung der Gesellschaft“, die individuelle Mobilität und vor allem die Mobilitätsbedürfnisse von Menschen außerhalb Berlins sind vielen suspekt.

Ohne eine Bewegung der Bundesregierung wird aber nichts passieren, denn die Vorteile Wasserstoffs bei der Verknüpfung der Sektoren, bei der Speicherung von Energie und beim Einsparen von CO2 lassen sich bisher wegen bürokratischer Hürden und regulatorische Diskriminierung kaum zu Geld machen – und bleiben deshalb ungenutzt.

Dabei ist die Sache ziemlich eindeutig: Es gibt weltweit über 1,3 Milliarden Kraftfahrzeuge mit Verbrennungsmotor, allein in Deutschland sind es über 40 Millionen. Wer einen positiven Klimaeffekt erreichen möchte, kommt als Brückentechnologie an sogenannten „E-Fuels“, also aus Wasserstoff und CO2 unter Verwendung von erneuerbaren Energien erzeugten synthetischen Kraftstoffen nicht vorbei.

Mit ihnen kann der bestehende Verkehr sehr schnell klimaneutral gemacht werden: Das CO2, das bei der Verbrennung von Benzin, Diesel oder Kerosin ausgestoßen wird, wurde zuvor bei der Gewinnung aus der Luft entfernt. Werden für diese Technologie in großindustriellem Maßstab Wasserstoffherstellungsanlagen ausgerollt, kann sie als Grundlage für klimaneutrale Industrie sowie den Umstieg auf die mit Wasserstoff betriebene Brennstoffzelle im Verkehr dienen.

Doch wie schon beim umweltschonenden CARE-Diesel, dem das Umweltbundesamt die Zulassung verwehrt hat, gehen grüne Ideologen in eine andere Richtung. Man fragt sich, warum sie sich so gegen Umwelt- und Klimaschutz wehren. Wer das verstehen will, muss den Grünen im Bundestag zuhören.

Dort hat sich der ehemalige grüne Umweltminister Jürgen Trittin nicht entblödet, diejenigen als „vaterlandslose Gesellen“ (!) zu bezeichnen, die „Deutschlands Energiesouveränität“ untergraben. Das gibt einen tiefen Einblick in das Weltbild. Denn bisher ist Deutschland auf den Import von Energieträgern angewiesen, genau wie auf den Import unzähliger anderer Rohstoffe.

Man fragt sich, was das Problem sein soll? Wer exportieren will, muss ja auch importieren – und trotz der vielen Rohstoffimporte sind unsere Exporte insgesamt sogar höher als unsere Importe.

Für Trittin jedoch soll Deutschland ein geschlossenes System sein, das seine Energie selbst herstellt. Diese kleingeistige nationale Denke, die schon bei Donald Trump nicht klug ist, wirkt bezogen auf Deutschland völlig absurd. Unser Wohlstand und unsere Lebenschancen beruhen auf der Eingliederung in einer arbeitsteiligen Weltwirtschaft und der Nutzung von Effizienzpotentialen, gerade mit unseren europäischen Nachbarn.

Mit Autarkie-Konzepten haben wir in den unseligsten Teilen der deutschen Geschichte alles andere als gute Erfahrungen gemacht. Doch wenn man sich in diese Denke hineinversetzt, versteht man auf einmal die innere Logik der Argumente.

Da wird vor allem darauf abgehoben, dass ein Batterieauto energieeffizienter sei als ein Brennstoffzellenauto, denn durch die Umwandlung der Energie leide der Wirkungsgrad. Das ist natürlich völlig richtig – wenn man davon ausgeht, dass das Auto direkt am Stromerzeugungsort geladen wird.

Doch Wasserstoff kann man mit Wasserkraft aus Norwegen, Offshore-Windenergie aus Schottland, geothermischer Energie aus Island oder Solarenergie aus Südeuropa, Nordafrika oder dem arabischen Raum herstellen, während wir gegenwärtig nicht einmal den Stromtransport für den bestehenden Strombedarf innerhalb Deutschlands hinkriegen – die Leitungen fehlen, die Speichermöglichkeiten sowieso.

Es geht doch auch sonst in keinem Wirtschaftsbereich bisher alleine um die Energieeffizienz. Bauxit wird aus Australien nach Island verschifft, um dort zu Aluminium verarbeitet zu werden. Das ist buchstäblich das andere Ende der Welt. Das ist nicht energieeffizient, aber ökonomisch effizient, weil es in Island nun mal sehr günstige Energie gibt und die Transportkosten gegenüber den andernorts horrenden Energiekosten bei der Aluminiumherstellung verblassen.

Genauso gibt es eben für die Nutzung von Energieträgern auch noch andere Kriterien – etwa die Energiedichte, die höhere Reichweiten mit dem Auto ermöglicht. Die Energiedichte ist es auch, die für Treibstoffe beim Flugzeug spricht – Batterien wären schlicht zu schwer. Hinzu kommt die Versorgungssicherheit oder die Speicher- und Transportfähigkeit. Letztere ist bei bloßem Strom in Deutschland so mangelhaft, dass die Verbraucher hunderte Millionen Euro für Geisterstrom bezahlen, der gar nicht in die Netze geht – weil diese überlastet sind. Mit diesem Überschussstrom könnte man in Deutschland Wasserstoff herstellen.

Natürlich würde dies den Bedarf nicht umfassend decken. Es wäre nur ein Anfang. Der nächste Schritt müsste der Aufbau entsprechender Anlangen im restlichen Europa sein – und zwar dort, wo man günstig Strom herstellen kann. Jetzt ist der Zeitpunkt für die Gründung der Europäischen Wasserstoffunion. Damit ließen sich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: kostengünstiger Solar- und Windstrom aus Süd-Europa und Makro-ökonomische Stabilisierung der Euro-Zone. Die Bundesregierung müsste dazu eine Initiative auf europäischer Ebene starten. Bisher schafft sie leider nicht einmal eine Wasserstoffstrategie für Deutschland.

Während Deutschland schläft, sind andere schon viel weiter: China hat längst verstanden, dass Batterieautos kein Massenphänomen sein werden, aber für die vom Smog geplagten Städte kurzfristig die einfachste Lösung. Mittelfristig stellt sich auch China auf einen Mix aus verbrauchsarmen und klimaneutralen Verbrennungsmotoren, Brennstoffzellen und – für den Stadtverkehr – Batterieautos ein.

Der größte Fehler, den wir machen könnten, wäre es, ohne Sinn und Verstand unsere Technologieführerschaft beim Verbrenner und unsere gute Startposition bei der Brennstoffzelle für einen politisch erzwungenen zweiten oder dritten Platz bei Batterieautos zu opfern, die womöglich auch in 20 Jahren noch ein Nischenmarkt sind.