Interview Schwäbische Zeitung: Die Große Koalition streitet am laufenden Band

Interview Schwäbische Zeitung: Die Große Koalition streitet am laufenden Band

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Frage: Herr Theurer, die Regierung legt die Halbzeitbilanz vor. Wie bewerten Sie diese?

Theurer: Punkte abzuhaken ist das eine. Besser wäre es, die richtigen Lösungen anzubieten und umzusetzen. Eine handlungsfähige Regierung sieht anders aus. Deutschland befindet sich an der Schwelle zu einer Rezession, hinkt bei der Digitalisierung hinterher und die großen Initiativen für Europa fehlen. Auch die Rahmenbedingungen für den Mittelstand sind nicht zukunftsfähig.

Frage: Die Große Koalition ist mit ihrer Halbzeitbilanz offenbar recht zufrieden und will weitermachen. Hält die Regierung bis 2021 durch?

Theurer: Das weiß in Berlin keiner so genau. Jedenfalls streitet die GroKo am laufenden Band, die CDU verbiegt sich bis zur Unkenntlichkeit. Ein Beispiel dafür ist die Diskussion um die Grundrente.

Frage: Stichwort Grundrente. Die GroKo hat es bis zur Halbzeit nicht geschafft, die Grundrente auf den Weg zu bringen, die CDU zögert. Was erwarten Sie?

Theurer: Das SPD-Konzept von Minister Heil ist ungerecht, weil die Grundrente demnach erst nach 35 Jahren gilt, und unabhängig davon, ob Vollzeit oder Teilzeit gearbeitet wurde. Wer auch nur ein Jahr kürzer gearbeitet hat, geht leer aus. Die CDU hatte auf eine Bedürftigkeitsprüfung gepocht, von dieser war jetzt aber keine Rede mehr. Wir befürchten, dass die Union diesbezüglich wieder einmal einknickt.

Frage: Falls die Regierung nicht bis 2021 weitermacht, wären dann Neuwahlen der einzige Weg?

Theurer: Neuwahlen wären wohl die sauberste Lösung, mit den veränderten Rahmenbedingungen umzugehen. Wir sind aber jederzeit zu Gesprächen bereit. Der FDP geht es um die Inhalte. Es wäre denkbar, dass wir einer Minderheitsregierung zustimmen. Oder einer Neuauflage von Jamaika.

Frage: Unter welcher Voraussetzung wäre Jamaika wieder eine Option?

Theurer: Wir wollen Deutschland marktwirtschaftlich erneuern, Steuern senken und Bürokratie abbauen. Für das Thema Digitalisierung sollte außerdem ein eigenständiges Ministerium eingerichtet werden.

Die Fragen stellte Alena Ehrlich.