Interview AGEV-Magazin: Bürokratieabbau ist wie eine Hecke

Interview AGEV-Magazin: Bürokratieabbau ist wie eine Hecke

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Interview mit dem Fachmagazin der Arbeitgebervereinigung für Unternehmen aus dem Bereich EDV und Kommunikationstechnologie e.V.

AGEV: Die Bundesregierung spricht viel vom gelungenen Bürokratieabbau. Doch viele Unternehmen und Bürger erleben es eher umgekehrt. Datenschutz, Baurecht, Steuern – alles wird immer komplizierter. Ist der Kampf gegen zu viel Bürokratie aussichtslos?

Michael Theurer: Bürokratie ist wie eine Hecke – sie wächst von alleine und muss regelmäßig auf Stock gesetzt werden. Deshalb fordern die Freien Demokraten eine echte Bürokratiebremse – mit dem Prinzip „One in, two out“ wollen wir die Ministerien verpflichten, für jede neue Belastung zwei bestehende zu streichen. Auch die Bundesregierung spricht natürlich gerne vom Bürokratieabbau, aber in ihrem Handeln werden Bürger und Unternehmen in Wahrheit be- statt entlastet. Monatelang wurde das Bürokratieentlastungsgesetz angekündigt und dann statt einer kraftvollen Entlastungsoffensive lediglich ein Minimalvorschlag
vorgelegt.

AGEV: Estland gilt als Vorbild für e-Government. Wäre Digitalisierung nicht auch in Deutschland eine Chance, um Steuererklärung, Behördengänge, Genehmigungen etc. einfacher zu machen?

Michael Theurer: Digitalisierung und e-Government müssen in Deutschland endlich ganz oben stehen. Estland ist hier in der Tat viel weiter als Deutschland. Im aktuellen Digital Economy and Society Index (DESI) der Europäischen Kommission liegt die Bundesrepublik auf Platz zwölf. Der Bericht untersucht den digitalen Fortschritt in Wirtschaft und Gesellschaft und fokussiert dabei die Bereiche Breitbandausbau, Onlinekompetenzen und Möglichkeiten für digitale Behördengänge. In Letzterem ist Deutschland abgeschlagen auf Platz 26 von 28. Das zeigt den enormen Nachholbedarf beim Thema e-Government.

AGEV: Welche weiteren Maßnahmen schlagen Sie zum Abbau von Bürokratie vor?

Michael Theurer: Im Januar 2019 haben wir als Freie Demokraten im Bundestag ein Bürokratieentlastungsgesetz III gefordert. Konkret haben wir ein 10-Punkte-Sofort-Programm vorgelegt, das die Unternehmen um mehrere Milliarden jährlich entlastet. Dabei schlagen wir beispielsweise vor, die Dokumentations- und Berichtspflichten zu reduzieren, Aufbewahrungsfristen zu verkürzen, Grenz- und Schwellenwerte zu vereinheitlichen und anzupassen. Des Weiteren haben wir die Weiterentwicklung der Bürokratiebremse zur „One in, two out-Regel“ beantragt. Diese soll auf die 1:1-Umsetzung von EU-Recht angewendet werden sowie den
einmaligen Erfüllungsaufwand berücksichtigen. Ebenso soll die „One in, two out-Regel“ auch auf europäischer Ebene eingeführt werden.

AGEV: Welche Auswirkungen hätte das auf unsere Volkswirtschaft?

Michael Theurer: Allein durch die Digitalisierung der TOP-30-Verwaltungsleistungen würden Unternehmen bis zu eine Milliarde Euro pro Jahr einsparen – durch die Anhebung der Buchführungspflichten 3,2 Mrd. Euro, die Verkürzung der Aufbewahrungsfristen noch mal 1,7 Mrd. Euro. Ein echter Bürokratieabbau im Sinne einer „One in, two out-Regel“ wäre ein kostenloses Konjunkturprogramm, welches unsere Volkswirtschaft angesichts der sich eintrübenden Prognosen dringend braucht.

AGEV: Vielen Dank für das Gespräch.

Die Fragen stellte Christoph Steinhauer.