Gastbeitrag Focus Online: Was sich in der Wohnungspolitik in Deutschland ändern müsste

Gastbeitrag Focus Online: Was sich in der Wohnungspolitik in Deutschland ändern müsste

Michael Theurer,FDP, MdB. Bundestagsabgeordneter, Abgeordneter

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Der SPD um Andrea Nahles scheint ein Coup gelungen zu sein. Unter dem Schlagwort „Mietenstopp“ hat sie jedenfalls den Wohnungsmangel in das Zentrum der politischen Debatte gerückt. Die dirigistische Initiative mag Schlagzeilen liefern, den eklatanten Mangel an bezahlbarem Wohnraum wird sie nicht beseitigen. Im Gegenteil: Nahles‘ Vorschläge sind ein planwirtschaftlicher Irrweg.

Am 21. September wird im Bundeskanzleramt ein Wohngipfel stattfinden. Es ist leicht vorstellbar, wie der Tag ablaufen wird: Bauminister Seehofer verkündet inbrünstig neue Steuermilliarden aus dem Bundeshaushalt,  die mit der Gießkanne verteilt werden. Justizministerin Barley verkündet weitere Verschärfungen des Mietrechts, die versuchen, die Mieter gegenüber dem Vermieter besserzustellen. Dass dies Vermieter eher abschreckt, neuen Wohnraum zu schaffen, wird einfach ausgeblendet.

400.000 neue Wohnungen pro Jahr

Während in Deutschland – vor allem in dem Ballungsräumen – rund 1,5 Millionen Wohnungen fehlen, wirken staatliche Finanzspritzen lediglich wie der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein. Um die Lage am Wohnungsmarkt im den Großstädten spürbar zu entspannen, müssten 400.000 Wohnungen pro Jahr neu gebaut werden. Ob pro fehlender Wohnung nun durchschnittlich 1000, 1500 oder 2000 Euro als Staatszuschuss etwa über das Baukindergeld gewährt werden, ist letztlich gleichgültig.

Der Investitionsbedarf liegt allein für die Baukosten ohne Grundstücke bei 200 Milliarden Euro. Dass dies die Haushalte von Bund und Ländern überfordert, liegt trotz guter Lage der öffentlichen Kassen auf der Hand. Kurzum: Ohne die Mobilisierung privaten Kapitals lässt sich der Mangel an bezahlbarem Wohnraum nicht beseitigen. Und dies gelingt mit Sicherheit nur über den Markt und bessere Rahmenbedingungen für Investoren. Dagegen wirken dirigistische Eingriffe in den Markt wie Mietobergrenzen als Investitionsbremsen. Sie führen zur Rationierung und verschärfen den Mangel.

Der Wohnungsmarkt ist schon jetzt von einer klassischen Interventionsspirale gekennzeichnet: Durch Eingriffe in das Verhältnis zwischen Mieter und Vermieter wird kurzfristig der Mieter besser gestellt. Dadurch wird es relativ attraktiver, an dem betreffenden Ort Mieter zu sein, und unattraktiver, Wohnraum zur Verfügung zu stellen – der Anreiz für Neubauten und Renovierungen sinkt, mehr Mieter wollen zuziehen, Wohnraum verknappt sich und wird teurer. Der teure Wohnraum rechtfertigt dann weitere staatliche Eingriffe, welche häufig die Fehlallokation weiter verstärken.

Wohnraum muss bezahlbar bleiben

Am Ende dieser Spirale stehen Enteignungen und Verstaatlichungen. Dies löst jedoch das Problem knappen Wohnraums nicht. Der Staat ist hier das Problem, die Lösung liegt in der Steigerung des Angebots, die die gestiegene Nachfrage deckt. Nötig ist im Wesentlichen die Schaffung günstiger Rahmenbedingungen für Investoren durch die Rücknahme staatlicher Eingriffe wie beispielsweise bürokratischer Auflagen im Baurecht.

Wohnen ist ein Grundbedürfnis von Menschen. Deshalb muss Wohnraum bezahlbar bleiben, deshalb darf Wohnen nicht zum Luxusgut werden. Dies erreichen wir nur durch eine Stärkung des Angebots. Der Staat hat die Aufgabe, dafür die Rahmenbedingungen zu schaffen.

In Deutschland gibt es inzwischen mehr als 20.000 Bauvorschriften, Normen und andere Anforderungen, die beim Hochbau beachtet werden müssen. Das ein solches Dickicht an Vorschriften nicht nur unnötig kompliziert ist, sondern auch zusätzliche Kosten verursacht, liegt auf der Hand. Etwa 40 Prozent der Kostensteigerung im Wohnungsbau gehen auf gestiegene Bürokratiekosten zurück. Sie machen inzwischen allein über 15 Prozent der Baukosten aus. Hier müsste radikal vereinfacht werden. Könnte der Staat die Bürokratiekosten auch nur um die Hälfte reduzieren, wären das bezogen auf die fehlenden Wohnungen Einsparungen von 15 Milliarden Euro – und damit deutlich mehr als alles, was er an Förderungen in den Wohnungsbau pumpt.

Bund könnte Bauland bereitstellen

Nebenbei haben sich über die letzten Jahre die steuerlichen Rahmenbedingungen massiv verschlechtert: Wo früher die Grunderwerbssteuer flächendeckend bei 3,5 Prozent lag, ist sie heute teils über 6 Prozent. Wo früher die Wohngebäude degressiv über 40 Jahre abgeschrieben wurden und insbesondere in den ersten Jahren sehr hohe Abschreibungssätze gegeben waren, wird heute linear mit 2 Prozent über 50 Jahre abgeschrieben – obwohl der Wertverzehr sehr viel schneller von statten geht.

Am wichtigsten wäre es aber, Flächen zu schaffen. Das könnte über kreative Wege von statten gehen, indem Parkplätze und Supermärkte überbaut werden. Auch die Nachverdichtung durch die Aufstockung von Wohngebäuden etwa in Leichtbauweise ist vielversprechend, wird aber häufig durch bürokratische Hürden verhindert.

Bauland kann aber auch durch die öffentliche Hand selbst bereit gestellt werden: Allein der Bund verfügt über 2 Millionen Quadratmeter unbebautes Land in den sieben Metropolen mit dem angespanntesten Wohnungsmarkt. Bauland von Bund und Ländern und Kommunen muss freigegeben werden, wenn der Wohnungsmangel wirksam bekämpft werden soll. Nur dann kann eine ausreichende Menge an neuen Wohnungen entstehen. Alles andere ist Augenwischerei.