Der Einsatz für fairen Steuerwettbewerb geht auch 2016 weiter

Der Einsatz für fairen Steuerwettbewerb geht auch 2016 weiter

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Liebe Bürgerinnen und Bürger,

Mehrere hundert Milliarden Euro an Steuereinnahmen gehen Schätzungen zufolge jährlich verloren durch „aggressive Steuerplanung“, also Steuervermeidungs-Modelle, mit deren Hilfe Multinationale Konzerne ihre Gewinne von dem Land, in dem sie eigentlich versteuert werden müssten, in ein Niedrigsteuer-Land verlagern können. Diese Modelle sind zwar zum großen Teil legal, aber unfair, da sie zu Lasten normaler Steuerzahler sowie der Steuerbasis des betroffenen EU-Mitgliedslandes gehen und Kleine und Mittlere Unternehmen benachteiligen. Denn KMU haben in den allermeisten Fällen nicht die grenzüberschreitende Geschäftstätigkeit oder die Ressourcen, um in die dafür nötigen Berater oder Kanzleien zu investieren.
Wir haben dank der „LuxLeaks“-Enthüllungen ebendieser Steuervermeidungsmodelle durch mutige Journalisten und Whistleblower derzeit ein Momentum, um in Europa zu fairen Wettbewerbsregeln in Steuerangelegenheiten zu kommen. Dieses müssen wir nutzen. Als Sonderberichterstatter im Europäischen Parlament zur Aufklärung der „LuxLeaks“-Enthüllungen stand für mich der Kampf für fairen Steuerwettbewerb ganz oben auf meiner Agenda für 2015. Wir haben im November im Plenum den 1. Bericht des Sonderausschusses „TAXE 1“ beschlossen. Kurz darauf wurde die Verlängerung des Sonderausschusses beschlossen; auch für „TAXE 2“ stehe ich wieder als Sonderberichterstatter zur Verfügung.
Mit unserem Ausschuss befasst sich erstmals eine EU-Institution mit dem Thema Steuervermeidung umfassend, wissenschaftlich fundiert und zielgerichtet. Obwohl wir starken Gegenwind hatten, ist es uns gelungen, einen politisch und wissenschaftlich hochwertigen Bericht vorzulegen, in dem wir die Problematik der Steuervermeidungspraktiken analysieren und konkrete Forderungen stellen. An oberster Stelle steht dabei der Ruf nach einem gesetzlichen Rahmen zur Vermeidung aggressiver Steuerplanung durch international agierende Großkonzerne. Hier zeigt sich besonders deutlich, dass die soziale Marktwirtschaft einen Ordnungsrahmen erfordert. Nur mittels verbindlicher EU-Gesetzgebung kann aggressive Steuervermeidung internationaler Großkonzerne künftig ausgeschlossen werden. Unsere Untersuchungen im Sonderausschuss TAXE haben ergeben, dass die Kombination überkomplexer nationaler Regeln zu Schlupflöchern geführt hat.
Es ging und geht uns auch weiterhin jedoch auch um die Klärung politischer Verantwortlichkeiten. So hatten wir bereits sehr aufschlussreiche Anhörungen und Meinungsaustausche unter anderem mit dem früheren luxemburgischen Premier und jetzigen Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker, mit den Finanzministern Deutschlands, Frankreichs, Italiens und Luxemburgs sowie mit Firmenvertretern unter anderem von Facebook, Google und Amazon sowie der großen Beratungsunternehmen. Doch all dies reicht noch nicht. Bis zuletzt wurde uns der effektive Zugang zu wichtigen Dokumenten wie der Protokolle der „Code of Conduct Group“ – der Gruppe zum Austausch über Steuerangelegenheiten der Mitgliedstaaten – de facto verweigert. Auch waren die Antworten etwa Junckers unbefriedigend. Während unserer Arbeit haben sich darüber hinaus weitere wichtige Hinweise ergeben, denen wir nachgehen wollen – etwa das Gebaren Maltas oder Zyperns, oder weitere Steuervermeidungsmodelle.
Umso mehr begrüße ich es, dass wir die Arbeit nun fortsetzen werden. Ich werde mich auch weiterhin bei der Arbeit für eine liberale Handschrift einsetzen. So erkennen wir die nationalstaatliche Hoheit über Steuerfragen an, und stellen uns Steuerpolitik als Standortpolitik nicht entgegen. Jedoch muss der Wettbewerb über die Steuersätze ablaufen, und nicht, in dem die Besteuerungsgrundlage der EU-Partner ausgehöhlt wird. Ein weiterer Hebel muss die Vereinfachung der Steuersysteme sein innerhalb eines europäischen Rahmens. Voraussetzung dafür ist der automatische Informationsaustausch sowie eine verbindliche gemeinsame Körperschaftssteuerbasis. Ich fordere die Mitgliedstaaten auf, die Aufweichung des von der Kommission vorgeschlagenen Informationsaustausches zurückzunehmen. Die Kommission muss ihrerseits dringend einen neuen Vorschlag für eine gemeinsame Körperschaftssteuerbasis vorlegen. Es reicht nicht, sich hinter den Vorschlägen der OECD wegzuducken, sondern die EU muss weitergehen und sich einen verbindlichen Rechtsrahmen geben. Jeder Gewinn, der die EU verlässt, muss nachweislich einmal etwa als Quellen- oder Körperschaftssteuer besteuert worden sein.

Herzlichst,
Ihr
Michael Theurer