Grenzen überwinden und Stärken ausbauen

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Makroregionen, Euroregionen und Metropolregionen – die neuen Gemeinschaften

Die europäische Geschichte zeigt: Grenzen zwischen Staaten und Regionen beschränken nicht nur die persönliche Freiheit, sondern auch Stabilität, Wirtschaftskraft und Wohlstand. Die Europäische Union fördert deshalb seit ihrer Gründung Integration und grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Eine wichtige Grundlage ist heute die von den EU-Staaten am 25. Mai 2007 verabschiedete Territoriale Agenda der EU.

Zwei Jahrzehnte nach der Wende zeigt sich das enorme Potenzial der neuen Gemeinschaften: Makroregionen, Metropolregionen und Euroregionen gelten als Quelle für Innovation und Kreativität. Gerade diese beiden Faktoren stärken die Wettbewerbsfähigkeit der EU langfristig und helfen Europa so bei der Bewältigung von Wirtschaftskrise und Globalisierung.

Globale Märkte konzentrieren sich heute auf Standorte, die bestimmte Aufgaben erfüllen. Die Lage einer Region spielt dabei kaum noch eine Rolle, sondern vielmehr ihre Funktion. Die Auszeichnung als international bedeutender Finanzplatz, Technologiemittelpunkt oder als bedeutende Verkehrsdrehscheibe sind hierfür nur drei Beispiele.

Deutsche Städte und Regionen besitzen meist nur eine der wichtigsten Funktionen, was international gesehen ein großer Nachteil ist: So können sie mit Weltstädten wie London, Los Angeles oder Singapur nur schlecht mithalten, die gleich mehrere wichtige Funktionen anbieten. Eine starke Vernetzung auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene ist somit für deutsche Städte und Regionen äußerst wichtig.  

Wie bei Unternehmen hängt der wirtschaftliche Erfolg von Städten und Regionen von guten Zukunftskonzepten ab, wie beispielsweise das Silicon Valley in Nordkalifornien zeigt. Netzwerke und Ressourcen müssen intelligenter genutzt und Stärken ausgebaut werden, in Baden-Württemberg zum Beispiel hochmoderne Spitzencluster.

Bislang unterlagen regionale Entwicklungen in Europa und Deutschland meist dem Zufall. Zukunftsvisionen scheiterten oft genug an Stadt- oder Ländergrenzen oder liefen aufgrund von fehlendem Engagement ins Leere. Die Ansätze der Makroregionen, Euroregionen und Metropolregionen kehren diese Nachteile ins Gegenteil um: In diesen Gebieten sehen sich Politiker, Unternehmer, Kulturschaffende oder Wissenschaftler nicht mehr vorrangig als Konkurrenten, sondern vielmehr als Vorreiter.

Der Schlüssel zum Erfolg liegt in konkreten, langfristigen Projekten und darin, dass die Akteure für ihre Region dauerhaft Verantwortung übernehmen. Gemeinsam sind sie die „regionale Regierung“ (regional Governance), die Bürokratiehürden überwindet, Finanzquellen findet oder Visionen in die Tat umsetzt.

 

Makroregionen

Zwei Makroregionen sind auf EU-Ebene bereits definiert: das Gebiet rund um die baltische Ostsee und der Donauraum. In beiden Regionen hat der Eiserne Vorhang Spuren hinterlassen. Wirtschaftskraft und Lebensqualität sind bis heute geschwächt, weil historische Handelswege jahrzehntelang unterbrochen waren und in den vorhandenen Verkehrswegen weiter Lücken bestehen. Die Menschen sind sich in den Jahren der Trennung fremd geworden, grenzüberschreitende Geschäftsbeziehungen und Kooperationen müssen erst wieder aufgebaut werden. Zudem drängen aktuelle Probleme, die jeder Anrainer alleine nicht bewältigen kann.

Damit sich dies schnell ändert und zudem die Zukunftspotenziale beider Makroregionen ausgeschöpft werden, sollen sie jeweils ein maßgeschneidertes, transnationales Entwicklungskonzept bekommen. Den Rahmen hierfür gibt die EU vor, wobei Akteure aller Ebenen einbezogen werden.

Federführung für die Erarbeitung und Umsetzung hat die Generaldirektion Regionalpolitik der Europäischen Kommission. Wichtiges Ziel ist, dass keine weitere Bürokratie entsteht: Die Entwicklungsstrategien sollen sich auf vorhandene Strukturen und Fördermittel begrenzen, die aber zukünftig weitaus koordinierter und damit effizienter genutzt werden sollen.

Im baltischen Ostseeraum entstehen bereits enge Netzwerke mit Akteuren aus Norddeutschland, Dänemark, Norwegen, Schweden, Finnland, Estland, Lettland, Litauen, Polen, Russland und Weißrussland. Die stark unterschiedlichen Partner wollen gemeinsam die Probleme Überfischung und Meeresverschmutzung lösen sowie sich auf die Folgen des Klimawandels vorbereiten. Hierfür müssen die Staaten zunächst Sprachbarrieren überwinden, einheitliche Standards einführen oder Forschungs- und Bildungsinitiativen starten.

Der Donauraum – von der Quelle im Schwarzwald bis zum Delta am Schwarzen Meer – ist ebenfalls ein interessanter und historischer Kulturraum wie auch ein zukunftsträchtiger Wirtschaftsraum. Gerade kleine und mittelständische Unternehmen aus Baden-Württemberg sollen von der neuen Gemeinschaft profitieren – hierfür setzt sich Michael Theurer im Europäischen Parlament und im Ausschuss für regionale Entwicklung ein.

Themen für den Donauraum werden sein: der Ausbau von Tourismus, vernachlässigter Infrastruktur und Informationstechnologien sowie Wasserqualität und Energiegewinnung aus Wasserkraft. Für die Vitalisierung einer neuen Bürgergesellschaft entlang der Donau sind die Förderung der Bildung und Hochschulen sowie ein regelmäßiger wissenschaftlicher Austausch notwendig.

Äußerst wichtig für Deutschland und Baden- Württemberg ist zudem der Ausbau der transnationalen Bahntrasse Paris–Straßburg–Stuttgart–Wien&n dash;Bratislava, der bereits läuft. Für das Teilstück zwischen Stuttgart und Ulm vereinbarten Bund, Deutsche Bahn, das Land Baden-Württemberg sowie Stuttgart und die umliegende Region im Juli 2007 ein Memorandum zum Bau von Stuttgart 21.

 

Metropolregionen, Euroregionen und Eurodistrikte

Der Begriff Metropolregion steht für ein international bedeutendes Gebiet, in dem sich Gemeinden und Landkreise sowie ihre Akteure, die Bürger, Kommunen, Unternehmen, Forschungseinrichtungen, eng miteinander vernetzen. Diese Gebiete wollen ihre Stärken noch klarer definieren und ausbauen, darunter in Baden-Württemberg die Europäische Metropolregion Stuttgart sowie die bundesländerübergreifende Metropolregion Rhein-Neckar, die Baden-Württemberg mit Rheinland- Pfalz und Hessen verbindet. Sie gelten als Motoren für die deutsche Wirtschaft.

Was viele übersehen: Das alte Stadt-Land- Schema trifft nicht mehr die Realität. Heute wirken im kleinstädtischen und ländlichen Raum zahlreiche Unternehmen und Forschungsgruppen mit internationalen Kontakten, wie hochspezialisierte Automobilzulieferer oder innovative Biotechnologie- Firmen.

Städte und Regionen sollen enger vernetzt werden, damit sich bestehende Wachstumszonen erweitern. Dabei spielt auch die grenzüberschreitende und transnationale Vernetzung (Euroregionen und Eurodistrikte) eine wichtige Rolle. Ökologische Ressourcen und kulturelle Werte gelten ebenfalls als wichtige Entwicklungsansätze.

Die regionale Governance von Metropolregionen verfolgt eine Doppelstrategie: die Wirkung nach innen und nach außen. Alle Akteure sollen an einem Strang ziehen, damit das eigene Angebot perfekt auf die Weltmärkte abgestimmt werden kann, die sich rasant entwickeln.

Weitere Informationen:

URBACT is a European exchange and learning programme promoting sustainable urban development.

Klimawandel – Antworten auf regionaler Ebene

Quelle: Berliner Journalistenbüro, Corina Niebuhr, 12. Februar 2010